Die Kirchen in Deutschland dürfen bei Stellenausschreibungen künftig nicht mehr von jedem Bewerber eine Religionszugehörigkeit verlangen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht.
Kirchliche Arbeitgeber dürfen bei Stellenausschreibungen künftig nicht mehr pauschal auf eine Religionszugehörigkeit von Bewerbern pochen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Es setzte in einem Grundsatzurteil Regeln, wann eine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden kann (8 AZR 501/14).
Einfluss auf Tausende Stellenvergaben
Mit seinem Urteil veränderten die höchsten Arbeitsrichter die bisherige Rechtsprechung zu diesem Aspekt des kirchlichen Arbeitsrechts. Ihm ging eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im April 2018 voraus.
Das Urteil hat Einfluss auf jährlich Tausende Stellenausschreibungen, unter anderem bei Diakonie und Caritas, die Arbeitgeber für mehr als eine Million Menschen in Deutschland sind. Die Kirchen haben ein vom Grundgesetz verbrieftes Selbstbestimmungsrecht, das auch für ihre Rolle als Arbeitgeber gilt. In der Regel verlangen sie bisher unter Verweis auf ihren kirchlichen Auftrag von ihren Angestellten eine Religionszugehörigkeit.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Eine konfessionslose Sozialpädagogin hatte sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin um eine Referentenstelle beworben, die einen Bericht zur Umsetzung der Antirassismus-Konvention durch Deutschland erarbeiten sollte.
Nach ihrer Ablehnung klagte sie wegen Diskriminierung aufgrund der Religion, um eine Entschädigung zu erhalten. Nachdem der Fall bis zum Europäischen Gerichtshof gegangen war, hat das Bundesarbeitsgericht nun eine grundsätzliche Entscheidung zur Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts gefällt. Nach dem Urteil muss die Diakonie der abgelehnten Stellenbewerberin jetzt eine Entschädigung von rund 3.900 Euro zahlen.
Evangelische Kirche: Nicht willkürlich
Die evangelische Kirche rechtfertigt ihre Stellenvergabe auch nach dem Urteil. "Die Anforderung der Kirchenmitgliedschaft wurde auch bisher bei der Personalauswahl nicht willkürlich gestellt. Bei der konkreten Stelle, auf die sich die Klägerin beworben hatte, war für uns wegen der Tätigkeit und Außenwirkung eine kirchliche Grundkompetenz unverzichtbar", sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nach der Urteilsverkündigung in Erfurt. Für diese Stelle sei eine Person erforderlich gewesen, die sich stark mit den christlichen Werten identifiziert und zu ihnen durch die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche bekennt. Die Klägerin habe darüber hinaus aber nicht einmal die erste formale Einstellungsvoraussetzung erfüllt: Sie habe keinen Masterabschluss nach einem wissenschaftlichen Hochschulstudium - Jura oder ein vergleichbares Fach - nachweisen können. Deshalb sei sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.
Bereits unabhängig vom konkreten Fall haben die EKD und ihre Diakonie ihr Arbeitsrecht weiterentwickelt. "Wir verstehen unsere sich verändernde, zunehmend multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft als eine positive Gestaltungsaufgabe, zu der Kirche und Diakonie einen konstruktiven Beitrag leisten wollen", sagt Lilie.
Seit 2017 neue Richtlinien
In der seit Januar 2017 geltenden Richtlinie können Nichtchristinnen und -christen an vielen Stellen in Kirche und Diakonie arbeiten. Ausnahmen gelten für Aufgaben in der Verkündigung, der Seelsorge und der evangelischen Bildung, bei denen die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche vorausgesetzt wird. Leitungskräfte müssen einer christlichen Kirche angehören.