Wasserkraft gilt als sauber, sicher, unverzichtbar. Tatsächlich ist diese Art der Energiegewinnung alles andere als grün. Wasserkraftwerke zerstören Flüsse und die Artenvielfalt.
Natürliche Fließgewässer gehören zu den wertvollsten Naturräumen der Erde. Sie sind Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, liefern Trinkwasser und sind nicht zuletzt wegen ihrer Schönheit wichtige Erholungsgebiete.
Dennoch sind Flüsse die am stärksten bedrohten Lebensräume weltweit. "Kein anderer Lebensraumtyp wurde in den letzten 50 Jahren dermaßen beeinträchtigt, nicht die Wälder, nicht die Meere", so RiverWatch, ein Verein, der sich den Schutz und die Renaturierung von Flüssen zur Aufgabe gemacht hat.
Nur wenige Flüsse in Deutschland sind gesund
In Deutschland sind nur sieben Prozent der Flüsse in einem "guten" oder "sehr guten ökologischen Zustand". Wesentlich verantwortlich für diese schlechte Qualität sind bauliche Eingriffe, die die Flüsse ihres natürlichen Laufes berauben oder ihre Durchgängigkeit verhindern.
Quelle: Gerhard Kemmler
Bis 2027 - ursprünglich war 2015 angestrebt - sollen die Flüsse der EU einen guten ökologischen Zustand erreicht haben. So zumindest fordert es die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union. Bestehende und geplante Wehre und Wasserkraftwerke blockieren jedoch dieses Ziel.
Denn Wasserkraftwerke beeinträchtigen Flüsse in vielerlei Hinsicht. Und das nicht nur am Standort des Kraftwerkes selbst. Sie wirken sich auf die Gewässerstruktur und auf die Ökologie des gesamten Flusses aus.
Staumauern sorgen für Erosion
Die Staumauer hält neben dem Wasser auch Kies und Sand zurück. Während dadurch der Stauraum immer kleiner wird und die Stromproduktion schließlich zum Erliegen kommt, gehen dem Fluss unterhalb der Staumauer diese Feststoffe verloren. "Es findet Erosion im Unterwasser statt. Dadurch vertieft sich die Sohle und das Wasser verbleibt die meiste Zeit komplett im Flussschlauch," führt Dr. Silke Wieprecht von der Universität Stuttgart aus.
"Da könnte man sagen, ja, was soll's, ist nicht so schlimm. Aber dann sind erstens alle Lebensräume weg, die einen lebenden Fluss ausmachen: Schotterbänke, Steilwände, Ufergehölze. Und was für den Menschen oft dramatischer ist, ist, dass der Grundwasserspiegel sinkt. Man hat eine enorme Grundwasservernichtung, die eine Folge der Wasserkraft ist", erklärt Ulrich Eichelmann von RiverWatch.
Fischpopulationen brechen zusammen
Außerdem verschlechtert sich die Wasserqualität. Denn das Stauwasser erwärmt sich, verliert Sauerstoff und damit Organismen, die das Wasser sauber halten. Bei Hochwasser können die Ablagerungen im Stausee zu Verschlammung des Unterwassers und damit zum Fischsterben führen.
Quelle: Franz Keppel
Das Wasserkraftwerk selbst stellt eine massive ökologische Barriere für Fische und andere wasserlebende Tiere dar. Wanderfischarten, wie Forellen oder Aale können ihre Laichgründe nicht mehr erreichen, ihre Population bricht zusammen. Sofern sogenannte Fischaufstiegshilfen überhaupt existieren, erfüllen sie selten ihren Zweck. "Es gibt einige wenige Fischtreppen, die gut sind. Die meisten funktionieren aber nicht", sagt Gabriel Schwaderer von der Stiftung EuroNatur. "Und sollte den Fischen der Aufstieg doch gelingen, sterben viele beim Abstieg in den Turbinen."
Viele Wasserkraftwerke liefern kaum Leistung
Nach Recherchen von EuroNatur, RiverWatch und WWF gibt es in der EU mehr als 19.000 Wasserkraftwerke. Weitere 5.700 sind geplant, 122 bereits im Bau. Auch Deutschland beabsichtigt die Wasserkraft auszubauen, obwohl das hydroelektrische Potenzial hierzulande nahezu ausgeschöpft ist. Von den 36 geplanten Kraftwerken werden 25 eine installierte Leistung von 0,1 bis 10 Megawatt haben und damit zu den eher kleinen Wasserkraftwerken zählen.
Ein, wie Gabriel Schwaderer findet, völlig sinnloses Vorhaben. "Denn die ökologischen Schäden, die sie anrichten, stehen in keinem Verhältnis zu der geringen Energiemenge, die sie liefern." Tatsächlich produzieren nur die großen Anlagen nennenswert viel Strom: Von insgesamt 7.600 Wasserkraftwerken in Deutschland erzeugen gerade mal 400 große weit über 80 Prozent des Wasserkraftstroms.
Grundsätzlich aber ist die Energiemenge, die hier aus Wasserkraft entsteht, ohnehin gering. Nach Angaben des Umweltbundesamtes liegt ihr Anteil am Bruttostromverbrauch im Mittel bei 3,6 Prozent. Auf den Bruttoendenergieverbrauch bezogen, ist das weniger als 1 Prozent.
Birgit Hermes ist Redakteurin in der ZDF-Umweltredaktion.