In Polen lebt es sich wirklich gut, doch die langen Winternächte sind anstrengend. Die Mehrheit der Polen will die Umstellung auf die Winterzeit abschaffen.
Wer einmal wirklich einen kompletten Winter und nicht nur ein paar Tage in Polen erlebt hat, der weiß: Die Kälte ist nicht das eigentliche Problem, sondern die frühe und lange Dunkelheit. Und mit Winter für Winter stellt sich nicht etwa Gewöhnung ein. Nein, es nervt zunehmend - und zwar nicht nur Zugereiste, sondern auch die Polen selbst, die ab spätestens November über die kurzen Tage jammern.
Weil die Sonne im Osten auf- und im Westen untergeht, ist es in Polen früher dunkel. Im Dezember verschwindet die Sonne - so sie überhaupt gefühlt da war - in Warschau ab 15:24 Uhr, dann wird es dunkle Nacht, im Osten Polens sogar noch früher. Eine Stunde länger hell ist es etwa in Köln, eineinhalb gar in Madrid – alle drei Städte liegen in der gleichen Zeitzone.
Für durchgängige Sommerzeit
Es ist also kein Wunder, dass die Polen - wenn über die Zeitumstellung beziehungsweise die Abschaffung der Zeitumstellung diskutiert wird - für die durchgängige Sommerzeit plädieren. Dann gibt es wenigstens am Nachmittag und Abend ein bisschen mehr natürliches Licht. Nur 14,8 Prozent wollen nach einer aktuellen Umfrage des Technologieministeriums die Winterzeit das ganze Jahr über.
Die große Mehrheit der Polen will übrigens, dass Schluss sein soll mit der Zeitumstellung, insgesamt: 78,3 Prozent. Ein Vorstoß, schon ab Ende Oktober 2018 nicht mehr auf Winterzeit zurückzudrehen, war zum Scheitern verurteilt, weil das nicht EU-rechtskonform ist. Denn einzelne Mitgliedsländer können nicht einfach von sich aus mit der Zeitumstellung Schluss machen.
Bauernpartei für ewige Sommerzeit
Es ist vor allem die Bauernpartei PSL (im Europaparlament in der EVP-Fraktion vertreten), die sich für die Abschaffung der Winterzeit in Polen starkmacht. 2017 brachte sie die Idee in den Sejm ein, im Innenausschuss wurde sie einstimmig angenommen - von allen Parlamentsfraktionen. Dabei sind sich nationalkonservative Regierung und Opposition im Sejm ansonsten spinnefeind.
Nach der Entscheidung im Verkehrsausschuss des Europaparlaments Anfang März kommentieren zwei EP-Abgeordnete die Abschaffung der Zeitumstellung folgendermaßen: "Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, einschließlich der von Nobelpreisträgern, zeigen, dass Veränderungen im zirkadianen Rhythmus von sogenannten Biorhythmen, die das Risiko von Herzinfarkten und anderen Krankheiten erhöhen, für Kinder, ältere Menschen oder Kranke besonders lästig sind. Gleichzeitig bringt es mit den heutigen Technologien keinen wirtschaftlichen Nutzen und verursacht sogar Kosten", meint Andrzej Grzyb (Bauernpartei). Und Kosma Zlotowski (PiS) sagt: "2021 ist ein guter Zeitpunkt, um diese Änderungen einzuführen, um den Ländern Zeit zu geben, sich auf sie vorzubereiten."
Schluss mit Uhrendreherei
In Polen hofft man nun, dass ab 2021 wirklich Schluss ist mit der Uhrendreherei Ende März und Ende Oktober - allerdings will man hier die Sommerzeit behalten. Wenn sich Brüssel für die Winterzeit entscheiden sollte, dann bliebe nur noch die Möglichkeit, es wie die baltischen Staaten zu halten und in deren Zeitzone umzusteigen: In Estland, Lettland und Litauen sind sie immer eine Stunde weiter als in Warschau.
Natalie Steger ist Leiterin des ZDF-Studios Warschau. Das Studio ist zuständig für die Berichterstattung aus Polen, Estland, Lettland und Litauen.
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Ende der Zeitumstellung ab 2021: Darum geht's
Die Zeitumstellung soll abgeschafft werden. Doch wie wird das ablaufen? Und ist der Wechsel von Sommer- und Winterzeit wirklich ein Problem? Ein Überblick.