Das Votum der SPD-Mitglieder für Esken und Walter-Borjans als Parteivorsitzende überrascht alle - doch den Koalitionspartner zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Nur gut die Hälfte der gut 425.000 Genossen beteiligte sich an der Wahl, nur gut ein Viertel stimmte daher für das Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans - und die SPD ist formal nicht einmal verpflichtet, dem Mitgliedervotum zu folgen. Doch täte der Parteitag es nächste Woche nicht, käme es zum Aufstand. Es wird diese neue Doppelspitze geben müssen. Und sie steht für das Ende der Großen Koalition.
Denn nur, wenn die Union weitreichende Forderungen erfüllen würde - von höherem Mindestlohn bis zu höheren Staatsausgaben - will das neue SPD-Führungsduo weiter mit ihr regieren. Diese Zugeständnisse aber würden die Union zerreißen.
Ein Befreiungsschlag für die Demokratie
Eine Große Koalition sollte in der Demokratie immer nur Ausnahme und nicht die Regel sein - daran sollten wir uns erinnern. Käme es zur Neuwahl, dann könnte es den jüngsten Umfragen nach für ein schwarz-grünes Bündnis reichen - noch. Die SPD würde - wenn die Demoskopen recht behielten - in die Opposition verschwinden knapp hinter oder knapp vor der AfD.
Womöglich wäre das genau der Befreiungsschlag, den unsere Demokratie braucht. Die Union aber fürchtet die Neuwahl. Weil sie bisher nicht darüber entschieden hat, wen sie für die Merkel-Nachfolge aufstellen soll: von Annegret Kramp-Karrenbauer über Friedrich Merz bis zu Armin Laschet ist alles möglich. Sogar Markus Söder wird gehandelt.
Die SPD hat die Union zum denkbar falschen Zeitpunkt überrascht. CDU und CSU müssen nun im Eilverfahren entscheiden über die Kanzlerkandidatur. Sonst riskieren sie, sich genauso selbst so zu zerlegen, wie die SPD es vorgelitten hat.
Es herrscht in der Großen Koalition vor allem eins: Ansteckungsgefahr!
Wulf Schmiese leitet die "ZDF heute journal"-Redaktion. Dem Autor auf Twitter folgen: @wulfschmiese