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"Der Spiegel" wird 75 : Keinen "angenehmen Journalismus machen"

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Vor 75 Jahren erschien "Der Spiegel" das erste Mal. Seitdem hat sich im Leitmedium viel verändert. Wichtig bleibt Chefredakteur Klusmann: keinen "angenehmen Journalismus machen".

„Sturmgeschütz der Demokratie“ - diesen Ruf hat sich der „Spiegel“ vor Jahrzehnten erworben. Das Nachrichtenmagazin hat viele Skandale aufgespürt und Enthüllungen veröffentlicht. War aber auch nicht immer unumstritten. Heute vor 75 Jahren erschien die …

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Er verstand sich als das Sturmgeschütz der Demokratie. Er stand für Wahrheit und Aufklärung im deutschen Journalismus. "Sagen, was ist" - der Leitspruch des "Spiegel"-Gründers Rudolf Augstein in großen Lettern an die Wand geschrieben im Foyer des Hamburger Verlagshauses.

Und doch geschah das Unglaubliche, der Supergau für ein Leitmedium, das sich immer dem Qualitätsjournalismus verschrieben und verpflichtet gefühlt hatte. Claas Relotius, ein Mitarbeiter, der schon seit Jahren als Starreporter gesehen und behandelt wurde, hatte Wahrheit und Dichtung nicht auseinander gehalten.

Fall Relotius: Journalismus oder Hollywood-Drehbuch?

Seine unzähligen Artikel über mehrere Jahre entlarvten sich als fantasievolle Ergüsse, die besser als Manuskripte in die Filmindustrie Hollywoods gepasst hätten als in das deutsche Nachrichtenmagazin aus der biederen Kaufmannsstadt an der Elbe.

Archiv: Claas Relotius beim Empfang bei der Verleihung des Reemtsma Liberty Awards im Hotel de Rome in Berlin
Claas Relotius: Sein Betrug hat nicht nur den "Spiegel" hart getroffen.
Quelle: picture alliance/Eventpress

"Der Spiegel" selbst enttarnte den Betrüger Claas Relotius vor drei Jahren, nachdem es zunächst niemand in der Redaktion so recht hatte glauben wollen.

Männerdomäne "Spiegel"

Medienkritikerin Silke Burmester sieht den Fall Relotius als ein klares Ergebnis von Männerbündnissen.

Männer sind von Männern begeistert.
Silke Burmester, Journalistin und Medienkritikerin

Erst die Digitalisierung habe in Medienhäusern wie dem "Spiegel" die Türen für Frauen in Führungspositionen geöffnet. Im Impressum des "Spiegel" von 1969 wurden neben 99 Männern gerade mal sechs Frauen namentlich genannt, "und zwei davon", sagt Burmester, "waren damals für die Leserbriefe zuständig". Heute liegt der Frauenanteil in Führungsfunktionen bei 44 Prozent.

Vorstellungsgespräche im Bademantel

Der "Spiegel" war in der Zeit der 60er Jahre, in der Rudolf Augstein Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche noch im Bademantel führte, in der Tat als ziemlich chauvinistische Männerdomäne bekannt.

Aber die publizistischen und politischen Aufreger jener Zeit, die "Spiegel"-Affäre mit der Verhaftung des Gründers und dem Abgang des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß, gehören heute längst zur Geschichte der damals noch jungen deutschen Republik und zur deutschen Medienlandschaft.

Trend zum Erzähljournalismus nach Wiedervereinigung

Von der Wiedervereinigung Deutschlands sei der "Spiegel" genauso überrascht worden wie alle Medien damals, sagt Michael Haller, einst selbst Redakteur beim "Spiegel" und prominenter Medienwissenschaftler. So suchten in den 90er Jahren viele nach journalistischer Orientierung und neuen Formen. Es habe einen Trend zum Erzähljournalismus gegeben, so Haller. Hin zum Narrativen, weg vom Investigativen.

Diese Entwicklung kulminierte in gewisser Weise dann im Fall Relotius, der nicht nur für den "Spiegel", sondern für den Journalismus insgesamt die Vertrauensfrage aufwarf.

Der "Spiegel" sei aber auf der Suche nach einem guten neuen Weg, räumt Haller ein, auch wenn er nicht mehr alleinige Speerspitze des deutschen Recherchierjournalismus sei.

Opposition zu den Mächtigen

Tatsächlich seien die Männer auf der Jagd nach der besten Geschichte vielleicht "zu testosterongeschwängert" unterwegs gewesen im redaktionellen Umgang mit den Artikeln von Relotius, meint Steffen Klusmann, jetziger Chefredakteur des "Spiegel".

Als er vor drei Jahren in das Amt kam, hatte der "Spiegel" selbst den Fall Relotius gerade erst publik gemacht.

Wahrscheinlich war der "Spiegel" einfach eine Weile zu erfolgreich und wurde dadurch ein bisschen zu bequem, und Relotius war für uns dann so 'ne kleine Erweckung, keine schöne.
Steffen Klusmann, Chefredakteur des "Spiegel"

Das Schlimmste? "Zu zahm werden"

Das Wichtigste sei nach wie vor, dass der "Spiegel" immer Opposition zu den Mächtigen sein müsse und "wir nicht einen zu angenehmen Journalismus machen", so Klusmann.

Das Schlimmste sei, "wenn wir zu zahm werden, das passt gar nicht zur Marke, nicht zur DNA - und das ist auch nicht unser Job".

Ralf Zimmermann von Siefart ist Leiter des ZDF-Landesstudios Hamburg.

Wieso sind so viele anfällig für Verschwörungsmythen? Und wer profitiert von der Verbreitung?

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