Der Wunsch nach einem selbstbestimmten, glücklichen Leben ist einfach. Die Umsetzung nicht so. Psychologe Frank Berzbach erklärt, wie man trotz Corona-Winter Zufriedenheit findet.
Frank Berzbach ist Psychologe und Literaturwissenschaftler. Als Autor und Dozent beschäftigt er sich unter anderem mit Achtsamkeit, Kreativität und Arbeitspsychologie. Im Interview erklärt er, wie wichtig ein achtsames Leben ist - und warum man auch guten Gewissens mal faul sein darf.
ZDFheute: Wir zögern oft, wenn es darum geht, die Gestaltung des eigenen Lebens in die Hand zu nehmen. Mit diesem Satz beginnen Sie eines Ihrer Bücher. Das klingt paradox. Warum stehen wir uns dabei im Weg, unser Leben so zu gestalten, wie es uns passt?
Frank Berzbach: Die Idee von einem selbstbestimmten, zufriedenen Leben ist einfacher, als es tatsächlich zu tun. Zum einen sind da die Laster: Pessimismus, Ängste und unsere Trägheit. Dann kommt noch der Winter - und die nächste Corona-Welle. Unsere Energie schwindet. Das führt dazu, dass viele dann nur noch das sehen, was sie nicht geschafft haben. Die Folge: Ein schlechtes Gewissen macht sich breit und die Wut auf uns selbst. Um dem eigenen Druck zu entkommen, geben wir uns der Illusion hin, eh nichts verändern zu können.
ZDFheute: Wie kann das gelingen?
Berzbach: Erst einmal müssen wir den Blick auf uns selbst und unser Inneres richten. Wir müssen Konzentrationskiller abschalten - manchmal ist das Ablenkung von außen, manchmal aber auch unser eigener Kopf. Der Geist ist ein unruhiger Nörgler.
Manchmal müssen wir deshalb bewusst weghören und uns stattdessen fragen: Was erzeugt in mir Zufriedenheit? Und was hält mich davon ab? Sehe ich in dem, was ich tue, einen Sinn? Hat man das erkannt, geht es darum, Gefühle der Selbstwirksamkeit zu erzeugen. Das können ganz kleine Dinge sein, die einem ein Gefühl von Zufriedenheit geben.
ZDFheute: Sind die Feiertage eine gute Zeit für Achtsamkeit?
Berzbach: Per se gibt es keinen Tag, der von sich aus den Raum dafür bietet. Wir müssen die Zügel in die Hand nehmen und unsere Zeit achtsam gestalten. Weihnachten ist - für Nicht-Gläubige - eher eine Party oder ein Familienfest. Entscheidend ist, ob ich mich bewusst in diese Situation begebe und sie genieße. Denn auch im Miteinander können wir besinnliche Momente gestalten. Menschen lesen sich gegenseitig vor, spielen oder kochen gemeinsam. Doch oft erzeugen die Feiertage auch sozialen Stress. Das zu akzeptieren, macht es einfacher damit umzugehen.
Achtsamkeit ist ein weltweiter Hype und auch Gert Scobel ist fest von ihrer Wirksamkeit überzeugt. Harald Lesch hakt nach: Welche Versprechen kann der Einsatz von Achtsamkeit halten? Ist sie der Schlüssel, um die Krisen unserer Zeit zu überwinden?
ZDFheute: Heißt das, wir sollten uns einfach mehr entspannen?
Berzbach: In gewisser Weise spielt Gelassenheit eine Rolle - den eigenen Gedanken nicht zu viel Bedeutung beizumessen und nicht zu streng mit sich zu sein. Doch gleichzeitig ist es ein verbreiteter Irrglaube, dass Achtsamkeit mit Entspannung gleichzusetzen ist.
Es ist die Fähigkeit, die Gedanken auf das Hier und Jetzt zu richten, das Wahrgenommene nicht zu bewerten, unsere eigenen Emotions- und Denkmuster zu erkennen - das gilt auch, wenn wir gerade Pommes rot-weiß essen oder faul auf dem Sofa liegen. Wichtig ist, dass wir es bewusst tun und dabei kein schlechtes Gewissen haben.
ZDFheute: Was hilft Ihnen dabei im Alltag?
Berzbach: Ich schreibe jeden Tag eine To-Do-Liste: Was will ich machen - und was nicht. Womit beginne ich den Tag? Das gibt mir im Alltag Struktur und Orientierung. Mehr aber auch nicht. Das heißt: Es ist auch völlig okay, wenn ich etwas nicht schaffe.
Mir ist wichtig, mit dem, was ich tue, zufrieden zu sein. Das ist ein erreichbares Ziel.
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ZDFheute: Oft nutzen Menschen die Feiertage, um das Jahr Revue passieren zu lassen und gute Vorsätze fürs neue Jahr zu setzen. Finden Sie das sinnvoll?
Berzbach: Es ist dann sinnvoll, wenn ich aus der Reflektion etwas ableiten kann. Große Vorsätze hemmen meist nur. Wir sind am 1. Januar ja keine anderen Menschen.
Entscheidend ist auch die Frage: Mit welchem Schritt beginne ich und wann? Das macht es leichter, den Schritt auch tatsächlich zu gehen.
Das Interview führte Jana Sepehr.
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