Es gibt kaum eine Krisenregion, in der Ärzte ohne Grenzen nicht hilft. Angesichts des Leides vor Ort begleitet die Ärzte immer auch die Frage: Sollen wir uns einmischen?
Während der Ebola-Krise waren sie die ersten, die Krankenhäuser aufbauten, Kranke versorgten und Gesunde aufklärten. Während des libanesischen Bürgerkrieges blieben sie, umzingelt von Milizen. Und während des Genozids in Ruanda riefen sie die Weltgemeinschaft - erstmals und einmalig - zu einer militärischen Intervention auf: Eine Handvoll Ärzte könne das Morden nicht stoppen.
Die Rede ist von Medecins Sans Frontieres (MSF, Ärzte ohne Grenzen), die vor 50 Jahren, am 21. Dezember 1971, in Frankreich gegründet wurden.
Die jungen Mediziner wollten die Hilfe besser machen
Das Leid und die schleppende Hilfe in Nigeria rüttelten eine Gruppe junger französischer Ärzte auf, darunter Bernard Kouchner. Der Bürgerkrieg um Biafra 1968 ließ die Bevölkerung schutz- und hilflos zurück.
Die jungen Mediziner, die mit dem Französischen Roten Kreuz vor Ort waren, wollten infolge ihrer Erfahrungen in Nigeria die Hilfe besser ausstatten, unbürokratischer, medizinischer und reaktionsstärker machen - weltweit. Aber es sollte auch mehr über die unzähligen, oft vergessenen Krisen berichtet werden.
Kouchner wollte nicht neutral bleiben
Kouchner widmete sich der Arbeit für MSF mehrere Jahre lang, wurde Vorsitzender. Es gab Einsätze in Nicaragua und Südostasien. Er selbst wollte angesichts des unbeschreiblichen Elends, das er in Biafra erlebt hatte, nicht nur helfen und neutral-verschwiegen bleiben, sondern als Augenzeuge auch anprangern.
Die Frage der Neutralität und Ausmaß sowie Form der Kritik an Regierungen führte letztlich zum Bruch Kouchners mit seinen Nachfolgern und mit der Organisation. Er schied aus und gründete 1980 eine zweite ähnliche Organisation, die Medecins du Monde (MDM, Ärzte der Welt).
Ärzte ohne Grenzen auch im belagerten Srebrenica
Ärzte ohne Grenzen aber wurde über die Jahre und Jahrzehnte zu einer der größten unabhängigen Organisationen für medizinische Nothilfe. So erhielten die Helfer breitere Öffentlichkeit, als während des libanesischen Bürgerkrieges Ende der 1970er-Jahre rund 50 Ärzte und Pfleger in einem von christlichen Milizen eingeschlossenen schiitischen Viertel Beiruts blieben.
Sieben Monate lang arbeiteten die Helfer in der Zone. Ihre Unabhängigkeit wurde besonders honoriert. Auch während des Bosnien-Krieges waren die MSF-Mitarbeiter die letzten, die in der belagerten Zone in Srebrenica Verwundete und Kranke versorgten.
Helfer der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ bezeichnen die Situation der Flüchtlinge in einem Camp auf der Insel Samos als dramatisch.
Während der Ebola-Krise riskierten sie ihr Leben
Die Frage, wie neutral dabei Ärzte ohne Grenzen als Beobachter der Zustände vor Ort bleibt, treibt die Organisation immer wieder um. So prangerten Mitarbeiter etwa in den 1980er-Jahren das Handeln der Roten Khmer an. Immer wieder verurteilten sie Angriffe auf Krankenhäuser und die Nahrungsversorgung, etwa im Liberia-Krieg oder in Somalia und dem Sudan. Aber nur einmal, während des Genozids in Ruanda, entschlossen sich MSF-Mitarbeiter, die internationale Gemeinschaft zur militärischen Intervention aufzurufen.
Dramatisch wurde die Lage auch während der Ebola-Epidemie 2014/15 in Westafrika. Und dabei zeigte sich, dass Ärzte ohne Grenzen durch ihre Unabhängigkeit schneller als andere helfen können und weniger bürokratische Hürden erleben. Auch hier waren es die Mitarbeiter, vor allem die lokalen, die ihre Gesundheit oder gar ihr eigenes Leben riskierten. Ein Risiko, das nicht jeder tragen kann oder will.
Allein in Deutschland 217 Millionen jährliche Spenden
Heute ist der Verein in mehr als 70 Ländern der Welt tätig und mehrfach preisgekrönt - darunter mit dem Friedensnobelpreis 1999. Es gibt 21 Sektionen der Organisation weltweit, unter anderem seit 1993 in Deutschland, aber auch in der Schweiz, in Belgien, Spanien und Österreich. Allein die deutsche Organisation erhielt im vergangenen Jahr rund 217 Millionen Euro an privaten Spenden und Zuwendungen.
Ärzte ohne Grenzen Deutschland bittet vor allem seit dem Tsunami in Südostasien 2004, nicht mehr zweckgebunden zu spenden. Denn so könnten die Mittel auch für Krisen in anderen Regionen genutzt werden, die weniger mediale Aufmerksamkeit erhielten. Durch eine Zweckbindung sind der Organisation bei der Verwendung der Gelder die Hände gebunden. "Bis heute ist unsere Haltung, dass sich der Umfang unserer Projekte nur nach dem Bedarf richten soll, nicht nach der Höhe der eingegangenen Spenden", so der Appell der MSF-Helfer.
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