Großbritannien ist mit rund 3.000 Fällen eines der Länder mit den meisten Affenpocken-Infektionen. Vor allem schwule Männer sind betroffen - und bekommen Hass-Botschaften im Netz.
Affenpocken übertragen sich durch Körperkontakt, es kann alle treffen. Oft erkranken nicht-heterosexuelle Männer. Harun Tulunay wurde in sozialen Medien angegriffen und beleidigt.
Erst sind es nur Schmerzen beim Schlucken und Fieber. Als Harun Tulunay Ende Juni krank wird, ist er sich sicher: Das ist Corona. Doch dann bekommt der Londoner am ganzen Körper Pickel.
Der an der Nase wird immer größer und entzündet sich. Er hat sich mit Affenpocken infiziert. "Das war wirklich beängstigend. Ich hatte große Schmerzen und 40 Grad Fieber, doch im Krankenhaus wollten sie mich nicht aufnehmen", erzählt Tulunay im Interview mit dem ZDF. Der 35-Jährige ist offen schwul und lebt in London.
In den meisten Fällen verläuft eine Infektion mit dem Affenpockenvirus realtiv mild. Nicht so bei Felix: Er hatte Angst um sein Leben.
London ist Hotspot für Infektionen mit Affenpocken
Harun Tulunay bleibt elf Tage im Krankenhaus. Danach muss er noch zwei Wochen in Quarantäne. Großbritannien ist mit rund 3.000 Fällen eines der Länder mit den meisten Affenpocken-Infektionen. Vor allem London ist ein Hotspot.
Es seien nur sehr wenige Fälle bekannt, bei denen Affenpocken zum Beispiel über Sperma übertragen wurden, so Chloe Orkin weiter.
Impfstoff gegen Affenpocken wird knapp
Rund 95 Prozent der Infizierten sind schwule oder bisexuelle Männer, die sexuell aktiv sind. Besonders gefährdet sind Männer, die HIV-positiv sind.
Doch Affenpocken kann jeder bekommen. Auch Kinder und Jugendliche haben sich bereits infiziert. "Wenn es weitere Infektionswellen in anderen Bevölkerungsschichten gibt und sich Menschen mit einem geschwächten Immunsystem infizieren, könnte das dem Virus helfen, sich weiterzuentwickeln", sagt Jake Dunning, Oberarzt für Infektionskrankheiten am Royal Free Hospital in London.
Die Zahl der Fälle steigt, und gleichzeitig wird der Impfstoff gegen Affenpocken knapp. In Großbritannien sind nur noch einige tausend Dosen übrig. Und Nachschub soll erst im September kommen. In Deutschland und anderen europäischen Ländern ist die Situation ähnlich.
Aufklären zum Schutz, nicht zur Stigmatisierung
Das führt zu langen Schlangen vor den Impfpraxen. Die Medizinerin Chloe Orkin erwartet von den Gesundheitsbehörden, dass sie besser über Affenpocken informieren:
Harun Tulunay geht ganz offen mit seiner Infektion um. Auf Instagram postete er Fotos aus dem Krankenhaus, um andere aus der schwulen Community zu sensibilisieren. Viele hätten ihn unterstützt, erzählt Tulunay.
Hass-Botschaften nach Affenpocken-Infektion
Aber er habe auch viele Hass-Botschaften bekommen: "Ein anonymer User hat mir geschrieben: Weil ich schwul bin, soll ich in der Hölle schmoren." Und:
Solche Reaktionen habe er nicht erwartet, sagt Tulunay. "Wir hatten das doch alles schon mal mit HIV und Aids in den 80er Jahren. Und eigentlich dachten wir in der schwulen Community, dass wir darüber hinweg sind. Wenn jemand krank ist, dann kommt es nicht darauf an, welche sexuelle Orientierung er hat. Wir sind erschüttert, dass das immer noch passiert."
Alle Hass-Posts hat er der Polizei gemeldet. Daraufhin sei ein Account eines Users gesperrt worden. Harun Tulunay will sich von den Anfeindungen nicht unterkriegen lassen und weiter gegen Diskriminierung kämpfen.
Michael Haselrieder ist Reporter im ZDF-Studio in London.
- Wie sich die Affenpocken verbreiten
Der Affenpocken-Ausbruch in Europa hat Angst vor einer neuen Pandemie entfacht. Die WHO berät sich in einem Notfallausschuss. So schätzen Experten aktuell die Gefahr des Virus ein.