Aktuell gibt es einige bestätigte Infektions- und Erkrankungsfälle in Deutschland. Doch das Bundesgesundheitsministerium erwartet weitere Affenpocken-Fälle. Was wir bisher wissen.
Das Bundesgesundheitsministerium erwartet noch mehr Affenpocken-Fälle. "Aufgrund der vielfältigen Kontakte der derzeit Infizierten ist in Europa und auch in Deutschland mit weiteren Erkrankungen zu rechnen", heißt es in einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages, der dem ZDF vorliegt.
Dr. Christoph Specht über Ansteckungswege und Symptome
Proben weiterer Personen seien in Abklärung. Kontaktpersonen würden ermittelt.
In zahlreichen Ländern seien mehr als 130 bestätigte Fälle und Verdachtsfälle nachgewiesen, "Tendenz täglich steigend". Bisher sei bei den in Europa festgestellten Infektionen die westafrikanische Affenpocken-Variante nachgewiesen worden, weitere Genomanalysen liefen jedoch noch.
Affenpocken: Lauterbach bleibt gelassen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht davon aus, dass der Ausbruch eingegrenzt werden kann. Durch die Meldungen aus Großbritannien und anderen Ländern sowie schnelle Informationen durch das Robert-Koch-Institut (RKI) seien die Ärzte und Patienten in Deutschland "sensibilisiert". Der Minister betonte:
Das könne aber nur gelingen, wenn schnell gehandelt werde. Das Virus werde jetzt genauer analysiert, und es werde geprüft, ob es sich um eine ansteckendere Variante handeln könnte.
Die Pocken gelten seit 1980 als ausgerottet, aber nun häufen sich die Infektionen mit dem harmloseren Affenpocken-Virus aus der gleichen Gruppe. Fast täglich gibt es neue Meldungen über Nachweise und Verdachtsfälle, auch in Europa.
So wurden inzwischen Fälle in Belgien, Spanien, Italien, Frankreich, Großbritannien und Portugal bekannt. Auch die USA, Australien und Kanada verzeichneten Infektionen. Das Ausmaß lässt Experten aufhorchen.
Was ist das für ein Erreger und wie besorgniserregend ist der Ausbruch? Was wir über das Virus wissen - ein Überblick:
Was sind die Affenpocken?
Affenpocken sind eine auf ein Virus zurückgehende Erkrankung. Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen - daher der Name Affenpocken. Fachleute vermuten allerdings, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert. Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. Das Affenpockenvirus ist auch auf den Menschen übertragbar.
Zu den Symptomen zählen: plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten, häufig auch Lymphknotenschwellungen. Typisch ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag. Selten treten Erblindung und entstellende Narben als Dauerschäden auf.
Behandelt werden die Symptome sowie mögliche bakterielle Sekundärinfektionen, eine spezielle Therapie gibt es nicht.
- Affenpocken: RKI mahnt Ärzte zu Wachsamkeit
In mehreren Ländern Europas sind Menschen an Affenpocken erkrankt. Nun warnt das RKI auch in Deutschland vor möglichen Ansteckungen und rät Ärzten, wachsam zu sein.
Wie gefährlich sind die Affenpocken?
Die kursierende Variante des Affenpocken-Virus ruft meist nur milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen.
Die in Europa und den USA auftretende westafrikanische Variante des Virus führe in Afrika bei etwa einem Prozent der Erkrankten zum Tod. Es gebe auch eine zentralafrikanische Variante, bei der zehn Prozent der Fälle auf dem Kontinent tödlich verliefen. Von tödlichen Verläufen in Afrika sind demnach vor allem Kinder betroffen. Alle Altersgruppen und beide Geschlechter gelten dem RKI zufolge als gleichermaßen empfänglich.
Was ist der Unterschied zwischen Affenpocken und dem Corona-Virus?
Grundsätzlich sind Pockenviren als DNA-Viren deutlich stabiler als RNA-Viren, wozu Coronaviren gehören. Stetig neue Mutationen sind bei Pocken darum eher unwahrscheinlich. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man vorhandenes Wissen und Impfstoffe übertragen kann.
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Wo kursieren Affenpocken üblicherweise?
Über Affenpocken-Infektionen in der Tierwelt ist kaum etwas bekannt. Beim Menschen waren sie bislang vor allem aus Regionen West- und Zentralafrikas bekannt. Der erste Fall sei 1970 in der Demokratischen Republik Kongo registriert worden, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachmagazin "Plos Neglected Tropical Diseases".
Danach habe sich das Virus in andere Länder Afrikas ausgebreitet, 2003 sei es erstmals außerhalb des Kontinents nachgewiesen worden. In Nigeria, Kamerun und im Kongo kam es laut WHO immer wieder zu Ausbrüchen.
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Ist der Ausbruch außerhalb Afrikas ungewöhnlich?
"Die jetzt außerhalb Afrikas auftretenden Fälle sind schon ungewöhnlich und müssen genau untersucht werden, sagt Elke Reinking, Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI).
Die WHO rief dazu auf, alle Kontakte von Betroffenen rigoros nachzuverfolgen. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen.
Insgesamt gewinnen Affenpocken laut Forschern an globaler Bedeutung. Ein möglicher Grund für die Ausbreitung könne ein nachlassender Immunschutz nach dem Stopp der Pockenimpfungen 1980 sein. Auch Abholzung sei eine mögliche Ursache oder könne als Verstärker fungieren.
Wie wird das Virus übertragen?
Bei den aktuellen Fällen sind vor allem Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten. Intimkontakt ist aber nur eine Möglichkeit der Übertragung, sagt der Marburger Virologe Stephan Becker. Es sei womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkreis getragen wurde.
Dem RKI zufolge geschieht eine Übertragung auf den Menschen allgemein häufig durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischem Blut und Sekreten, über das Essen infizierten Affenfleischs sowie Tröpfcheninfektion.
Der Epidemiologe Paul Hunter von der Universität of East Anglia sagte, das Virus infiziere Kontaktpersonen, indem es von den Pusteln Erkrankter in Wunden oder die Augen von Kontaktpersonen gelange, auch das Einatmen von Tröpfchen mit den Partikeln sei ein Weg.
Der Nachweis erfolgt mit einer Probe des Betroffenen über einen sogenannten PCR-Test.
Infektionskrankheiten wie Grippe oder COVID-19 können verheerenden Schaden anrichten. Hygiene bleibt eine Frage von Leben und Tod und ist eine Welt zwischen Pest und Puder.
Wie ansteckend sind Affenpocken von Mensch zu Mensch?
Eigentlich gilt das Virus als wenig ansteckend. Bei der aktuellen Infektionshäufung sind die detaillierten Infektionsketten noch weitgehend unklar.
Aktuell scheine die Übertragung bei Affenpocken dabei aber zumindest nicht durch Aerosole zu erfolgen, schätzt der Marburger Virologe Becker. "Dann wäre das Ausbreitungsmuster anders."
Gibt es eine schützende Impfung?
Eine zugelassene Impfung speziell gegen Affenpocken gibt es nicht. Historischen Daten zufolge schützt aber eine Pockenimpfung gut vor Affenpocken - und das wohl lebenslang.
Eine Impfung mit diesem Impfstoff gilt daher als mögliche Maßnahme, um zumindest Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten zu schützen.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach zufolge, werde bereits über Impfempfehlungen für besonders gefährdete Personen nachgedacht. Er habe schon Kontakt mit einem Hersteller aufgenommen, der Impfstoffe spezifisch für Affenpocken herstellt, so Lauterbach.
Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, ist wegen der höheren Risiken für Ungeimpfte für ein Impfangebot. "Es wäre deswegen sinnvoll, allen Jüngeren, die nicht mehr unter die Pockenimpflicht gefallen sind, jetzt ein Impfangebot zu machen", sagte er der Funke Mediengruppe.