Trotz steigender Fallzahlen warnen Fachärzte vor zu viel Affenpocken-Aufregung. Die Ausbreitung des Virus ließe sich auch ohne Massenimpfungen gut eindämmen, teilte die WHO mit.
Nach dem Auftreten erster Fälle von Affenpocken in Deutschland sehen Fachärzte keine neue Pandemie aufziehen. Tobias Tenenbaum, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung":
Die coronabedingte Wachsamkeit werde dazu führen, Kontaktpersonen von Infizierten rasch zu identifizieren. Es komme "wahrscheinlich keine neue Epidemie auf uns zu".
Kinderärzte-Verband: Kinder wenig gefährdet
Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, sagte der "NOZ", das Affenpocken-Virus sei "weit weniger ansteckend als Corona" und werde fast nur durch "engen Körperkontakt und Körperflüssigkeiten" übertragen.
Kinder, bei denen zumindest nach Daten aus Afrika eine höhere Sterblichkeit vorkommt, gehörten nicht zu denjenigen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko.
Auch Infektiologe Tenenbaum erwartet keine große Ausbreitung unter Kindern und Jugendlichen:
Es seien auch keine Fälle bekannt, "in denen sich Affenpocken in Europa innerhalb von Familien ausgebreitet haben". Tenebaum sagte weiter: "Daher brauchen sich Eltern aktuell keine Sorgen zu machen."
Union: Lauterbach soll Aufklärung verstärken
Am Dienstagmittag will sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Rande des Deutschen Ärztetages in Bremen zum Vorgehen nach dem Auftreten der ersten Fälle von Affenpocken in Deutschland äußern. An der Pressekonferenz sollen auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, teilnehmen.
Die oppositionelle Unions-Bundestagsfraktion forderte Lauterbach auf, eine Aufklärungskampagne auf den Weg zu bringen. Der Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger (CSU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND):
Krankenhausgesellschaft mahnt zu Wachsamkeit
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mahnte hingegen, wachsam zu sein. "Corona hat uns gelehrt, sehr genau die Entwicklung weltweit zu betrachten. Denn in einer globalisierten Welt verbreiten sich nicht nur Güter schnell, sondern auch Krankheiten", sagte Verbandschef Gerald Gaß dem RND. Und weiter:
Anfang Mai war ein Affenpocken-Fall in Großbritannien nachgewiesen worden. Experten zufolge kursierte der Erreger da aber wohl bereits in vielen Ländern. Der erste Affenpocken-Fall in Deutschland war aus Bayern gemeldet worden, inzwischen gab es auch Meldungen aus weiteren Bundesländern wie Berlin, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg.
Tödliche Erkrankungen in Einzelfällen
Das Virus verursacht meist nur milde Symptome wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und Hautausschlag. Affenpocken können aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen, in Einzelfällen sind tödliche Erkrankungen möglich. Folgen einer überstandenen Infektion können Narbenbildung und in sehr seltenen Fällen auch Erblindung sein.
WHO: Keine Notwendigkeit für Massenimpfungen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht derzeit keine Notwendigkeit von Massenimpfungen gegen Affenpocken. Maßnahmen wie Hygiene und präventives Sexualverhalten würden helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, sagte Richard Pebody, Leiter des Teams für Krankheitserreger bei der WHO Europa, am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung des Ausbruchs seien die Rückverfolgung von Kontakten und die Isolierung von Infizierten. Die Impfstoffbestände seien relativ begrenzt.
- Affenpocken: Was wir über das Virus wissen
Aktuell gibt es einige bestätigte Infektions- und Erkrankungsfälle in Deutschland. Doch das Bundesgesundheitsministerium erwartet weitere Affenpocken-Fälle. Was wir bisher wissen.