Alice Schwarzer wird 80: Die Grande Dame des Feminismus

    80. Geburtstag:Alice Schwarzer - Grande Dame des Feminismus

    von Karin Beck-Loibl
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    Ohne sie sähe das heutige Deutschland anders aus: Alice Schwarzer ist eine Galionsfigur der deutschen Frauenbewegung. Am 3. Dezember feiert sie ihren 80. Geburtstag.

    Alice Schwarzer hat die Frauenbewegung vielleicht nicht erfunden - aber sie hat sie entscheidend mitgeprägt. Als Symbolfigur für die Emanzipation und politisch-moralische Instanz weit über die Frauenfrage hinaus. Ihr Motto: Die Hälfte der Welt für die Frauen, die Hälfte des Hauses für die Männer. Gleiche Rechte und Freiheiten für alle, Pflichten unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung.
    Eine Feministin aus Wuppertal-Elberfeld, geboren am 3. Dezember 1942. Als Tochter einer ledigen Mutter wächst Alice Schwarzer bei den Großeltern auf.

    Meine soziale Mutter war ein Mann, mein Großvater. Ich bin gelobt worden, wenn ich mutig war und eigenständig und klug.

    Alice Schwarzer

    "Ich habe erlebt, Frauen können auch denken und Männer können auch fürsorglich sein. Und dann kam ich in die Welt und sah, das ist nicht überall so", erinnert sie sich. Für Schwarzer war klar: "Das muss ich ändern!"
    Alice Schwarzer
    Alice Schwarzer ist Journalistin, Essayistin, Feministin und Symbolfigur für die Emanzipation.05.03.2021 | 3:36 min

    Kampf gegen das Abtreibungsverbot

    1971 initiiert sie in Deutschland die kollektive politische Aktion gegen den Paragraphen 218 im "Stern", die Selbstbezichtigung von 374 Frauen: "Wir haben abgetrieben und fordern das Recht dazu für jede Frau." Ein Meilenstein im Kampf um Gleichberechtigung. Alice Schwarzer wird als öffentliche Feministin zum Aushängeschild und Sprachrohr einer ganzen Bewegung. Ihre streitbaren Fernsehauftritte sind legendär.
    Als 1975 ihr Bestseller "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen" erscheint, bringt ihr das den Ruf der "Männerhasserin" ein, Beinamen wie "das Flintenweib". Mit 250.000 Mark Autorenhonorar aus dem "Kleinen Unterschied" gründet sie 1977 die feministische Zeitschrift "Emma", die sie bis heute als Chefredakteurin leitet. Stolz darauf, dass "Emma" mit ihren oft provokanten Covern am Kiosk immer noch "heiße Ware" ist.

    Auch Skandale können Schwarzer nicht von der öffentlichen Bühne holen

    Die eigenen Ideale zu verraten wird der Journalistin vorgeworfen, als sie für die BILD-Zeitung ab 2010 den Prozess gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann kommentiert. Als wenig später ihre Steuervergehen ans Licht kommen, zeigt sie sich selbst an und kann damit immerhin einer Strafverfolgung entgehen - nicht aber der medialen Schelte. Solche Skandale konnten sie jedoch nicht von der öffentlichen Bühne fegen.
    Sie kämpft nach wie vor gegen Gewalt an Frauen und Kindern, gegen die Männerjustiz, das Abtreibungsverbot, Sexismus, Pornografie und Prostitution und für eine "Vermenschlichung der Geschlechter" sowie die Aufhebung der Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern.

    Kontroversen um Haltung zur Transsexualität

    Sie mischt sich in Debatten ein und treibt den Diskurs voran - aktuell zum Beispiel mit ihrer Haltung zu Transsexualität, für sie eine Art Massenphänomen, eine regelrechte "Trans-Mode". Man dürfe das kulturelle Geschlecht "Gender" nicht mit dem biologischen Geschlecht "Sex" verwechseln, so Schwarzer.
    "Der Mensch bleibt, auch wenn er Hormone nimmt, auch wenn ‚Frau‘ die Brüste amputiert, die Genitalien verstümmelt, lebenslang biologisch weiblich oder männlich." Sie warnt vor einem Selbstbestimmungsgesetz, das eine Änderung des Geschlechts schon ab 14 Jahren ermöglichen soll.

    Schwarzer: Frauen stehen alle Berufe offen

    Ihr Fazit nach 50 Jahren Frauenbewegung? "Natürlich haben wir Fortschritte mit Riesen-Siebenmeilenstiefeln gemacht", sagt Schwarzer.

    Was heute selbstverständlich ist, das hätten wir uns ja nicht mal träumen lassen: eine Bundeskanzlerin, Frauen im All, uneingeschränkter Zugang zur Bildung - alle Berufe stehen uns im Prinzip offen.

    Alice Schwarzer

    Die Enkelinnen der Emanzipation müssten "lernen, sich auf die Schultern ihrer Vorgängerinnen zu stellen, sonst werden sie immer wieder bei Null anfangen. Der Punkt ist: Sie müssen wissen, es ist nicht garantiert."
    Alice Schwarzer ist ein Jahrgang mit dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden. "Dann wollen wir mal sehen, wie es mit uns weitergeht, mit unserer Generation", meint sie.

    Älter ist man nur für die anderen, in Wahrheit ist man mal 18, mal 48, mal 80, innerlich ist man derselbe Mensch.

    Alice Schwarzer