Klimakrise, Covid 19 und jetzt auch noch der Krieg - wir kommen nicht raus aus dem Krisenmodus. Vielleicht sorgt auch der für den derzeitigen Boom bei der Astrologie.
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Viele suchen Antworten in den Sternen, obwohl die Wissenschaft ihr Bestes tut, um zu erklären, warum Horoskope vor allem Hokuspokus sind.
Wohltemperierte Waage, cholerischer Krebs oder stoischer Steinbock - was sind Sie? Auf Instagram häufen sie sich: Astrofluencer, Astro-Memes, Astro-Podcasts. Die Feeds sind voll mit Horoskopen. Apps, die Sterne individuell deuten, haben Hochkonjunktur. Um was geht es hier: Unterhaltung, Lifestyle oder doch eine neue Art der Spiritualität?
Béla Réthy und Claudia Neumann erklären einen Effekt, auf den jeder schon mal reingefallen ist.
Sternenkunde als Wiege der Naturwissenschaft
Um die Gegenwart zu verstehen, hilft oft der Blick in die Vergangenheit. Fangen wir also von vorne an: Schon seit es Aufzeichnungen von Menschen gibt, wissen wir, dass diese in den Nachthimmel schauten, um Antworten auf ihre Fragen zu finden.
Schon im alten Babylon wurden die Sterne und Planeten dazu benutzt, einen Kalender zu erstellen und zu navigieren. Man könnte sagen, die Sternenkunde war die Wiege der Naturwissenschaft. Gleichzeitig war sie die Geburt der Astrologie: Man versuchte, bedeutungsvolle Zeichen aus den Himmelskörpern zu lesen.
Vertrauen auf Sterne als Taktgeber des Charakters
Fragt man die Deutschen, dann hat sich daran bis heute nicht sehr viel geändert. Als Kalender und zum Navigieren nutzen wir zwar inzwischen Apps, aber immer noch glaubt etwas mehr als die Hälfte von uns daran, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Persönlichkeit und den Sternen, unter denen man geboren wurde.
Das Vertrauen auf die Sterne als Taktgeber des Charakters ist keineswegs überholt, ganz im Gegenteil: Jüngere glauben häufiger als Ältere daran, dass die Sterne ihr Schicksal beschreiben. Ist also was dran an sturen Stieren und ehrlichen Schützen? So viele Menschen werden sich ja nicht irren, oder?
Auch die größten Skeptiker haben schon die Erfahrung gemacht: Horoskope stimmen überraschend häufig. Woran liegt das?
Wissenschaft: Nur Zufallstreffer bei Astrologie
Fragt man die Wissenschaft, ergibt sich ein eindeutiges Votum: Nein, nichts ist dran! Zum Beispiel wurde das Leben von Personen mit ähnlichen Sternzeichen über längere Zeit nachverfolgt - oder professionelle Astrolog*innen wurden gebeten, verschiedene Persönlichkeitsprofile dem jeweiligen Sternzeichen zuzuordnen. Durchweg zeigt sich dabei das gleiche Ergebnis: Wenn die Studie sauber geplant und durchgeführt ist, "funktioniert" Astrologie nicht über einen zu erwartenden Zufallswert hinaus.
Und es kommt noch schlimmer: Wissenschaftler*innen zweifeln auch die Prinzipien an, nach denen die Astrologie funktionieren könnte. Anders gesagt: Weder theoretisch noch praktisch wirken sich die Sterne auf unser Schicksal aus. Aber wie kann es dann sein, dass der Glaube daran nicht nur weiter besteht, sondern sogar wächst? Auch dazu hat die Wissenschaft Ideen.
Horoskope sind schwer zu widerlegen
Zum einen sind die Beschreibungen und Vorhersagen der Horoskope häufig so geschrieben, dass es uns sehr schwerfällt, sie zu widerlegen. Entsprechend finden wir uns häufig in ihnen wieder oder stellen unerklärliche Zusammenhänge fest - wobei uns dabei aber oft nur das eigene Verständnis von Vorhersagen und Wahrscheinlichkeiten ein Schnippchen schlägt.
Mit anderen Worten: Wir nehmen Informationen so wahr, dass sie unsere Erwartungen erfüllen oder bestätigen. Confirmation bias nennt man das in der Kognitionspsychologie oder auf Deutsch "Bestätigungsfehler". Vor diesem Unglück, also dem zielgerichteten Missverstehen von Statistik zugunsten der eigenen Erwartungen, sind selbst Wissenschaftler*innen nicht automatisch gefeit.
Warum trügt uns unser Bauchgefühl? Die Lösung steckt hinter den Strategien zu unseren Entscheidungen im Alltag, die unser Urteilsvermögen beeinflussen.
Auch Stress beeinflusst Glaube an Pseudowissenschaften
Das ist eine Erklärung, warum wir geneigt sind, Horoskopen und Co. zu glauben. Zum anderen wissen wir, dass der Glaube an Pseudowissenschaften wie Astrologie zunimmt, wenn Stress zunimmt. Und davon hatten und haben wir momentan ja mehr als genug.
Eine Studie erkennt beispielsweise einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Angst, die das SARS-CoV-2-Virus auslöst, und pseudowissenschaftlichen Überzeugungen. Vor allem empfundener Kontrollverlust spielt hier eine tragende Rolle. Der Glaube an Übernatürliches in Situationen starker Unsicherheit kann helfen, das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen.
Nicht von Pseudowissenschaft verleiten lassen
Das vielleicht verstörende Chaos auf unserem Planeten wird etwas kleiner und unwichtiger, wenn die Sterne das Schicksal vorgeben und mehr Sinn vorgaukeln. Bedauerlich nur, dass - auch wenn wir es noch so gerne glauben - das Schicksal eben nicht in den Sternen steht und ihr Deuten keinen Sinn ergibt!
Aber wir Menschen können offenbar nicht aus unserer Haut - aktuell ebenso wenig wie im alten Babylon. Damals wie heute beobachten wir Phänomene in der Natur und leiten daraus gleichermaßen Wissenschaft und Pseudowissenschaft ab. Wichtig ist es am Ende, auf die Wissenschaft zu hören und uns nicht von der Pseudowissenschaft verleiten zu lassen: Denn auch wenn die Navigations-App manchmal streikt, funktioniert sie doch besser als der Zufall.
Faszination Universum - Im Bann der Astrologie: Bestimmen die Sterne unser Schicksal? Wissenschaftler widersprechen entschieden. Astrophysiker Harald Lesch stellt die Thesen der Astrologen auf den Prüfstand.
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