Interview
Zeitzeugin Eva Umlauf:"Auschwitz ist der größte Friedhof der Welt"
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Eva Umlauf ist Überlebende des Holocausts. Zum 80. Jahrestag ist sie in Auschwitz. Im Gespräch mit dem ZDF mahnt sie, dass junge Menschen besser aufgeklärt werden müssen.
Eva Umlauf ist Überlebende. Zwei Jahre alt war sie, als das Konzentrationslager in Auschwitz befreit wurde. Heute, genau 80 Jahre später, kehrt sie an den Ort der Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes zurück. Mehr als eine Million Menschen sind dort im Zuge des Zweiten Weltkrieges ermordet worden. Die allermeisten starben in den Gaskammern.
Das ZDF ist beim Gedenken vor Ort und hatte die Gelegenheit mit der Zeitzeugin Eva Umlauf zu sprechen.
ZDF: Was bedeutet das für Sie, heute hier zu sein?
Eva Umlauf: Heute ist der 80. Jahrestag. Das ist ein sehr wichtiges Datum.
Für mich ist Auschwitz der größte Friedhof der Welt.
Eva Umlauf, Überlebende des Holocausts
Es liegen hier über eine Million Menschen. Das heißt: Die Asche von diesen Menschen.
Und das bedeutet für mich, dass ich einen Platz habe, wo man trauern kann, wo man weiß, dass auch meine Verwandten hier liegen. Man hat einen Platz, den man sonst nicht hat, wo man irgendwo steht und nachdenkt.
ZDF: Sie arbeiten als Kinderärztin und Psychotherapeutin. In Ihrer Praxis wurden auch Angehörige von Tätern behandelt - wie hat man sich das vorzustellen?
Umlauf: Die Angehörigen von den Tätern und von den Opfern sowieso, sind traumatisiert. Was sie im Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Manchmal denke ich mir 'was hat Hitler dem eigenen Volk angetan?', dass die eigenen Leute, die Nachkommen traumatisiert sind und zwar schwer.
Sievers: Wie kann man den traumatisierten Nachfahren von Tätern begegnen?
Umlauf: Das sind die Nachfahren der Täter, das sind keine Schuldigen. Ich kann nichts dafür, dass mein Vater etwas gemacht hat oder meine Mutter. Ich meine, eigentlich ist das die transgenerationale Weitergabe, die von einer Generation auf die andere übergeht.
Diese Nachfolger der Täter sind nicht schuld an dem Krieg. Aber trotzdem haben sie Traumata geerbt.
ZDF: Wissen die Menschen in Deutschland genug über Auschwitz?
Umlauf: Ich glaube die jungen Menschen wissen nicht genug über Auschwitz. Die lernen im Gymnasium, im Geschichtsunterricht, laufen in München durch Dachau, oder hören auch Überlebende, die von ihren Schicksalen erzählen. Aber es sind sehr oft diejenigen, die nicht ins Gymnasium gehen, die viel weniger Kenntnisse haben.
Das sehe ich selber, wenn ich beim Arzt bin, dann sehen die meine Nummer auf dem Arm und fragen 'was haben sie sich dahin geschmiert?'
Eva Umlauf, Überlebende des KZ Auschwitz
ZDF: Ehrlich? Wie reagieren Sie dann?
Umlauf: Je nachdem wie es mir geht. Wenn es mir nicht gut geht, sage ich das wäre eine Telefonnummer, die ich mir nicht merken kann. Wenn ich selber krank bin, halte ich keinen Vortrag über Auschwitz.
Auschwitz-Überlebende Eva Umlauf zeigt ihre tätowierte Kennzeichnung aus dem KZ
Quelle: AP
ZDF: Rechte Parteien erstarken. Antisemitismus nimmt zu. Haben Sie in Deutschland neue Ängste?
Umlauf: Ja wir haben konkrete Befürchtungen. Wir Juden haben wieder Angst, aber eine Angst, die wir auch zeigen. Zum Beispiel bekomme ich die Jüdische Allgemeine, das ist die Wochenzeitschrift.
Die kriegen wir jetzt in einem Kuvert, damit der Briefträger oder die Nachbarn nicht wissen, dass wir Juden sind, weil wir diese Zeitung lesen.
Eva Umlauf, Zeitzeugin
Wir haben Angst einen Davidstern zu tragen, eine Kippa zu tragen. Ich dachte nie, dass es nochmal kommt. Wir haben zwischendurch mit Stolz einen Davidstern getragen.
ZDF: Was wäre Ihre Appell an die deutsche Gesellschaft?
Umlauf: Ich glaube, dass man solche Taten ernsthaft bestrafen muss. Und nicht drüber hinwegschauen und sagen 'das wird schon besser', und akzeptieren. Wenn ich falsch parke, bekomme ich auch eine Strafe. Und das ist das, was auch ein bisschen hallt, weil ich will nicht wieder einen Zettel kriegen.
Das ist ein banales Beispiel, aber ich glaube es ist wirklich so, dass man die Leute einfach aufklären muss, auch die Studenten. Und die Jugend vor allem, weil sie unsere Zukunft ist. Wir müssen sie aufklären, wen sie wählen, welche Parteien wir haben. Wir haben genügend demokratische Parteien, wo sie ihr Kreuz hinmachen können.
Das Interview führte ZDF-Moderator Christian Sievers.
Quelle: dpa
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