Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Das bayerische Verfassungsschutzgesetz verstößt in Teilen gegen die Grundrechte. Das Urteil hat Auswirkungen über Bayern hinaus.
Die weitreichenden Befugnisse des bayerischen Verfassungsschutzes verstoßen teilweise gegen Grundrechte. Das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt festgestellt.
Heute hat das Bundesverfassungsgericht über die Frage entschieden, was der Verfassungsschutz eigentlich darf. Es geht um Maßnahmen wie das Überwachen der Wohnung und das Orten und verdeckte Durchsuchen von Smartphones.
Das Bundesverfassungsgericht sieht Teile des Gesetzes aus verschiedenen Gründen als verfassungswidrig an.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Erweiterung der Befugnisse des bayerischen Verfassungsschutzes für teils rechtswidrig erklärt. Kläger hatten kritisiert, dass einige Grundgesetze damit verletzt würden.
BVerG: Kaum Kontrolle der Überwachungsbefugnisse
Geklagt hatten drei Männer. Ihrer Meinung nach habe der Verfassungsschutz unter anderem zu viele Überwachungsbefugnisse und werde kaum kontrolliert. Jetzt haben sie in Teilen recht bekommen.
"Klingt selbstverständlich, musste aber erst errungen werden", erklärt Maria Scharlau vom Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte. Der Verein hat das Verfahren initiiert und setzt sich mit juristischen Mitteln für die Wahrung der Grundrechte ein.
Das Bundesverfassungsgericht macht klar, dass die Anforderungen an Maßnahmen des Verfassungsschutzes grundsätzlich andere sind als die Anforderungen an das Handeln der Polizei.
Die Polizei ist nicht Teil des Verfassungsschutzes
Es stellt klar, dass die Polizei und der Verfassungsschutz unterschiedliche Aufgaben haben. Teilweise kann der Verfassungsschutz auch weitergehende Maßnahmen vornehmen - so wie das bayerische Gesetz es vorsieht - allerdings nur, wenn es der Polizei nicht rechtzeitig möglich wäre zu handeln. Diesen Grundsatz beachtet das bayerische Verfassungsschutzgesetz in Teilen aber nicht, sagt das Gericht.
Das Bundesverfassungsgericht stellte außerdem fest, dass die Maßnahmen des Verfassungsschutzes zu wenig kontrolliert würden. Einige Maßnahmen müssten wegen ihrer tiefgreifenden Wirkungen schon vorher überprüft werden.
Kläger: Der Bayerische Verfassungsschutz macht ihm Angst
Die bisherigen Regelungen aus dem bayerischen Verfassungsschutzgesetz können für Betroffene große Auswirkungen haben. Kerem Schamberger, einer der drei Kläger, erzählt im Gespräch mit dem ZDF, dass sein Umfeld wegen des Überwachens durch den Verfassungsschutz Angst gehabt hätte, mit ihm Kontakt aufzunehmen. "Weil sie Angst haben, ebenfalls in das Visier des Geheimdienstes zu geraten", sagt Schamberger.
Er und die anderen Kläger sind Mitglieder der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten". Noch im Jahr 2020 wurde die Gruppe im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt und als "linksextremistisch beeinflusst" eingestuft.
Joachim Herrmann: Urteil betrifft auch andere
Hintergrund der weitreichenden Regelungen in Bayern waren die Morde des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU). Das bayerische Verfassungsschutzgesetz war daraufhin geändert und um einige Befugnisse erweitert worden.
Aus Sicht des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) muss nicht nur Bayern an seinem Verfassungsschutzgesetz nachjustieren. Das Urteil beziehe sich aus seiner Sicht auf viele Vorschriften in ganz Deutschland und nicht nur speziell auf bayerische.
Gemeint ist damit, dass auch das Bundesverfassungsschutzgesetz und die Gesetze der anderen Bundesländer betroffen sind. "Es gibt nach meiner Kenntnis kein einziges Gesetz, das allen diesen Vorgaben, die heute formuliert wurden, entspricht", so Herrmann.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat jetzt Auswirkung über Bayern hinaus, denn "einige Regelungen aus dem Bundesverfassungsschutzgesetz und der Verfassungsschutzgesetze der Länder sind den Regelungen aus Bayern ähnlich", so Rechtswissenschaftler Professor Ralf Poscher vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht.
"Das heißt: Sowohl der Bund als auch die anderen Länder müssen ihre Gesetze jetzt überprüfen und wohl auch zum Teil anpassen, da etwa die Vorschriften zur Datenübermittlung jedenfalls nicht vollständig den Anforderungen des Urteils genügen." Dafür hat das Bundesverfassungsgericht bis zum 31. Juli 2023 Zeit gegeben.