100 Jahre BBC: Britischer Rundfunk unter Druck

    FAQ

    100 Jahre BBC:Öffentlich-rechtlicher Leuchtturm im Feuer

    ZDF-Korrespondent Andreas Stamm berichtet vor dem Buckingham Palast in London.
    von Andreas Stamm, London
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    Das Ur-Modell aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - die BBC: Ein Name, der weltweit für beste Unterhaltung und Journalismus steht. Seit 100 Jahren. Aber wie lang noch?

    "This 2LO Calling" - die ersten Worte, mit denen die Historie der BBC beginnt. 2London - die Nummer der Sendelizenz. Vor 100 Jahren, damals noch als privatwirtschaftliches Konsortium, werden die ersten Radiosendungen ausgestrahlt.
    1926 wird die BBC dann zur öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunkanstalt. Staatsfern, für die Bürger, kontrolliert und beraten von den Bürgern, die in den Gremien repräsentiert sind. Ein Rundfunk für alle, unabhängig von wirtschaftlichen und politischen Interessengruppen. Das Gründungsideal, das bis heute nachwirkt.

    Sender-Spitzname: Tantchen, das Vorbild

    "Auntie Beeb", Tantchen, nennen sie viele Briten. Leuchtturm und Leitbild für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weltweit. Unterhalten, informieren, bilden. Radio, TV, Internet. BBC-Produktionen und Nachrichten sind eine Marke, weit über Großbritannien hinaus. "Was, wie macht es die BBC?" - eine Frage, die sich immer wieder und überall gestellt wird, wo Rundfunk gemacht wird.

    Große Reichweite der BBC

    Fast 500 Millionen Menschen weltweit konsumieren jede Woche das BBC-Angebot. Weltweit, mit dem "World Service" in zig Sprachen als internationalem Herzstück. Und noch immer nutzen 97 Prozent der Briten die BBC mindestens einmal im Monat.
    “Ich denke, die BBC ist im täglichen Leben der britischen Öffentlichkeit weniger wichtig als früher. Aber sie hat noch immer eine große Bedeutung“, erklärt der ehemalige Fernsehmacher und Medienwissenschaftler Professor Stewart Purvis.

    In historischen Momenten, bei großen Nachrichtenereignissen, den bedeutenden öffentlichen Veranstaltungen, bei großen Zeremonien wenden sich die Leute immer an die BBC.

    Stewart Purvis

    Aber die Konkurrenz habe zugenommen, saht Purvis Auch wenn sie immer noch die Nummer Eins ist: Im Nachrichten-, Dokumentations- oder Unterhaltungsbereich verliere die Anstalt an Boden. Und das befeuert Kritiker und Gegner.

    Sender unter Dauerfeuer

    Die Attacken auf die BBC kommen von zwei Seiten. Von denen, die Reformen wollen. Zu groß, zu schwerfällig, zu teuer. Die Bereitschaft, die umgerechnet 15 Euro monatliche Gebühr zu zahlen, nimmt stetig ab.
    Zwei Mikrofone von der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender ARD und ZDF werden ins Bild gehalten, ARCHIVBILD, 19.05.2017.
    Die Krise bei verschiedenen Rundfunkanstalten der ARD befeuert eine Debatte über Reformen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.11.09.2022 | 3:19 min
    "Die BBC hat den Kontakt zu den einfachen Briten verloren, vor allem rund um die Brexit-Berichterstattung", argumentiert der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Lord Grade. Es gehe günstiger und besser.
    Doch die gefährlicheren Attacken kommen aus der Politik. Über den Hebel der Finanzierung, über das das Parlament entscheidet, setzte die konservative Regierung des damaligen Premiers Johnson 2021 an. Die Abschaffung der Gebühr durch ein Abo-Modell wurde diskutiert.
    Das Ende der BBC, wie wir sie kennen, eine Abschaffung durch die politische Hintertür, schrien die Kritiker. Der Eckpfeiler des Rundfunksystems solle so zum Einsturz gebracht werden. Damit es ende wie in den USA. Mit einem Mediensystem, in dem die Reichen und Mächtigen volle Kontrolle haben und diese nutzten, um die Gesellschaft zu spalten.

    Amerikanische Verhältnisse bei der BBC?

    Erstmal zogen die Konservativen zurück. Bis 2027 wurde der Beitrag eingefroren - doch die Drohung, das Finanzierungsmodell zu kippen, bleibt im Raum. Denn die BBC sei von Linkliberalen durchsetzt. Gesteuert und befeuert von einer abgehobenen städtischen Elite sei die BBC, so der Tenor bei den regierenden Tories.
    Während sich, ergänzt Professor Purvis, die Konservative selbst in Jahren des Brexit-Streits ihrer liberalen Elemente entledigt hätten. So sei eine strukturelle Gegnerschaft gewachsen.

    Wenn man es mit Trump in Amerika vergleichen will: Es geht um Spaltung. Eine tiefgehende Spaltung. Die Regierung attackiert alles, was sie als Teil der Woke-Kultur empfindet.

    Stuart Purvis

    Kulturkampf oder Politik-Krampf?

    Allerdings seien Angriffe der Regierung, auch in dieser Schärfe, schon immer Teil des politischen Spiels gewesen. Die BBC ist ein mächtiger Faktor in Sachen Meinungsbildung. Darauf wolle jeder Politiker Einfluss nehmen, so Ed Vaizey, von 2010 bis 2016 Kulturstaatsekretär unter dem konservativen Premier Cameron.
    Aber die BBC sei tief verwurzelt im ganzen Land, so Vaizey. "Ein Politiker, der am Montag im Parlament über die BBC als elitäre, städtisch-liberale Organisation ohne Bodenhaftung wettert, tritt dann am Freitag im Lokalradio der BBC auf und spricht über Dinge in seinem Wahlkreis. An welchen Projekten er dort gerade arbeitet. Nicht im Traum würde es ihm einfallen, dass dieses lokale BBC-Programm irgendwie abgehoben, städtisch-liberal oder elitär sei."

    Der schützende Pakt mit den Briten

    Nachdem mit Johnson und ihrer Nachfolgerin die härtesten Brexit-Befürworter ihr politisches Waterloo erlebt haben, dürfte die Partei auch im Kampf gegen die BBC zurückrudern, ergänzt Purvis. Rishi Sunak sei weniger Ideologe. Und in den vergangenen Monaten hat sich die BBC wieder in die Herzen vieler Briten gesendet.
    Die Regierungskrisen, die Beisetzung der Queen, ein neuer König. Alles Ereignisse, erklärt Purvis, bei denen die BBC einen exzellenten Job gemacht habe. Und damit habe die Altehrwürdige zum 100. Jubiläum das vielleicht wichtigste Band gegen jede Regierung wieder enger geknüpft, so Purvis.

    Denn immer, wenn die BBC wirklich von den Mächtigen angegriffen wurde, standen die Briten in großer Zahl auf der Seite von 'Tantchen'. Diese Unterstützung ist ihre Lebensversicherung.

    Stuart Purvis

    Was aber nicht heiße, dass sich die BBC nicht wandeln müsse. Denn Alter schützt nicht vor Veränderung.

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