Wie aus frustigen Studio-Sessions das letzte Beatles-Album "Let it be" entstand: Mit "Get back" gibt Regisseur Peter Jackson Einblick in das Ende der britischen Kult-Band.
Vor über 50 Jahren trennten sich die Beatles. In diesen Tagen erzählen sie die Geschichte ihres Endes neu. Musikalisch mit einer weiteren Bearbeitung ihres letzten Albums "Let it be", in den autobiografischen Texten in McCartneys "Lyrics" und in Peter Jacksons Filmprojekt "Get back".
Als sich die Beatles Anfang 1969 zu Aufnahmen trafen, war keine Rede davon, dass daraus ihr letztes Album werden würde. Paul McCartney wollte die Beatles zurück zu ihren Wurzeln führen. "Get back" drückte genau das aus - mit einfachen Songs zurück zur Magie in der Band.
Ein Kamerateam filmte die Beatles beim kreativen Prozess, ein Konzert sollte den krönenden Abschluss bilden. Entstanden sind 60 Stunden Film- und 150 Stunden Audiomaterial, die Regisseur Peter Jackson nun für seinen achtstündigen Dreiteiler "Get back" eindrucksvoll restauriert hat.
Jeder Beatle strebte in eine andere Richtung
Um die Band stand es schon vor den Sessions nicht gut: George Harrison wollte endlich raus aus dem Schatten von Lennon und McCartney. Paul McCartney sah sich als musikalischen Mastermind, drängte die anderen zu immer neuen Projekten. Ringo Starr ließ er spüren, dass er sein Schlagzeugspiel ungenügend fand. Und John Lennon? Der hatte Yoko Ono entdeckt. Und Heroin.
Die Beatles drifteten längst auseinander. War es da eine gute Idee, den Druck noch zu erhöhen?
So kam es zum Bruch der Beatles
Die Aufnahmen begannen am 2. Januar 1969. Trotz allem funktionierte die Gruppe immer wieder erstaunlich gut. Jacksons Film zeigt, wie sie gemeinsam Songs wie "Get Back" oder "Don't let me down" entwickeln, oder sich Wortwechsel in trockenem nordenglischem Humor liefern.
Welche Rolle spielte Yoko Ono, die John Lennon zu jeder Session mitbrachte? Für viele war sie es, die die Fab Four sprengte. Schon bei den Aufnahmen machte die Band Witze darüber, aber tatsächlich hat es Paul Überwindung gekostet, sie auf Schritt und Tritt dabei zu haben.
Zum Eklat kam es, als Paul McCartney George Harrison einmal zu oft sagte, wie er zu spielen hatte. Am 10. Januar verließ der die Sessions - und die Beatles! Er ließ sich zwar wieder überreden, aber gegen das große Konzert legte er sein Veto ein. Der Auftritt am 30. Januar war dann sehr improvisiert - und umso legendärer: die Beatles stiegen auf das Dach ihres Studios und spielten 42 Minuten lang im eisigen Wind.
Der Film zeigt, wie die Beatles Songs geschrieben haben
Peter Jacksons Film ist vor allem genau: Studiotag für Studiotag sind endlose Versionen von "Get back" zu hören. Und es entsteht ein neues Bild der Sessions - nicht so trist, freundlicher und vor allem kreativ: so haben die Beatles also Songs geschrieben. Diese Einblicke machen die acht Stunden allein sehenswert. Zur historischen Wahrheit gehört allerdings, dass die Beatles nach den Aufnahmen so frustriert waren, dass sie das Projekt auf Eis legten.
Sie nahmen stattdessen "Abbey Road" auf, das am 26. September 1969 erschien. Da hatte John die Beatles gerade verlassen, das sollte allerdings geheim bleiben. Den schwarzen Peter hatte dann Paul - er verkündete am 10. April 1970 das Ende der Beatles.
Da stand das "Get back"-Projekt schon mitten im Zentrum eines erbitterten Rosenkriegs: John, George und Ringo hatten die Bänder Motown-Produzenten Phil Spector gegeben, der das disparate Material mit Bläsersätzen und Orchester zusammenkittete.
Ab jetzt hieß das Album nicht mehr "Get back", sondern "Let it be" - kein "Zurück zu den Wurzeln" mehr, sondern "Lass es sein", passend zum Zustand der Band. "Let it be" erschien am 8. Mai 1970, einen Monat nach der Trennung. Es galt sofort als das Dokument ihres Scheiterns. Film und Albumversionen werfen nun ein neues Licht auf die Ereignisse.
Ralf Rättig ist Redakteur in der 3sat-Kulturzeit-Redaktion.