Zum Savoir-vivre in Frankreich gehört ein Gläschen im Straßencafé auf einer beheizten Terrasse. Doch die Heizstrahler stoßen viel CO2 aus. Eine Stadt hat sie schon verboten.
"Als wir nach Paris zurückkamen, war es klar und kalt und schön (…) und vor vielen der guten Cafés waren Kohlebecken aufgestellt, sodass man draußen sitzen und es warm haben konnte." So beschrieb schon der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway in den 1920er Jahren die Vorzüge der "terrasses chauffées". Noch heute gehören sie zur französischen Lebensart.
In der Rue Cler, einer mondänen Einkaufsstraße im Westen von Paris, reihen sich die Brasserien aneinander, Marktstände werben mit frischem Obst. Baguettes und Croissants liegen griffbereit in der Vitrine. Dazwischen wirbelt Nicolas Beilich - gegelte Haare, Dreitagebart, das Hemd akkurat in die Chinohose gesteckt - und reicht seinen Gästen auf der "terrasse chauffée" Wein und Kaffee. Er ist Inhaber der Brasserie PTT und hat viel zu tun - obwohl Winter ist. Rund 30 Prozent machen die Einnahmen auf der Terrasse durchschnittlich am Jahresumsatz aus.
Rennes verbietet beheizte Terrassen
Doch der Himmel im Paradies der im Freien Rauchenden und Kaffeeschlürfenden trübt sich: Die Stadt Rennes hat Anfang des Jahres die Heizstrahler verboten. Paris will wohl nicht so weit gehen, zumindest aber über Alternativen nachdenken. Denn Studien zufolge stoßen vier Heizstrahler über acht Stunden so viel CO2 aus wie ein SUV über eine Strecke von 350 Kilometer.
So weit die rationale Seite. Nun zur emotionalen: Die Terrassen sind ein Stück französische Kultur: Draußen sitzen, sehen, was auf der Straße passiert, über Passanten tratschen - mit einem Getränk in der Hand. Sie sind außerdem zum letzten warmen Zufluchtsort der Raucher geworden, seitdem Zigaretten 2008 nach draußen verbannt wurden.
Der französische Historiker Didier Nourrisson schreibt in seinem Buch "Cigarette - histoire d'une allumeuse": "Bis heute ist das Rauchen eine soziale, fast demokratische Notwendigkeit. Dieses Bedürfnis stammt aus den Tagen der französischen Revolution, als sich die Franzosen nicht nur Zugang zu Macht, sondern auch zu Tabak verschafft haben."
Grüne Themen rücken allmählich auf die politische Agenda
Dazu kommt, dass grüne Themen in Frankreich nicht so prominent diskutiert werden. "Fridays-for-Future" und auch "Extinction Rebellion" erreichten hier nie die Teilnehmerzahlen wie in Deutschland. Wöchentliche Demonstrationen von FFF gibt es nicht.
Das liegt auch daran, dass das Umwelt-Thema überlagert wurde durch die Proteste der Gelbwesten und - in den letzten zwei Monaten - durch Demos gegen die Rentenreform des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Kaum Solaranlagen in Paris
Von einer nachhaltigen Stadt ist Paris noch weit entfernt. Das zeigt sich auch am schleppenden Ausbau von Solaranlagen. Man sieht sie fast nirgends. Die Denkmalschutzbehörde lehnt viele Projekte ab, unter anderem weil das traditionelle Bild der Stadt erhalten bleiben soll. Genehmigungsverfahren für neue Anlagen dauern oft sehr lange, auch außerhalb von Paris.
Das könnte ein Grund sein, warum sie in den Pariser Cafés eher gelassen bleiben. David Golenzer, Oberkellner in "La Crémerie", glaubt: "Wenn die Außenheizungen abgeschafft werden, dann passen wir uns eben wieder an." Französischer Pragmatismus.