"Gollum" und Co.: Welche Begriffe zählen als Beleidigung?

    Gerichte zu "Gollum" und Co.:Welche Begriffe zählen als Beleidigung?

    von Charlotte Greipl
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    Ob eine Äußerung im rechtlichen Sinne eine Beleidigung darstellt, lässt sich oft nicht pauschal sagen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Ein Überblick.

    Eine "platte" Beleidigung ist immer eine Beleidigung. Besteht überhaupt kein nachvollziehbarer Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung, handelt es sich um eine sogenannte Schmähkritik. Und die ist als Beleidigung strafbar.
    Besteht jedoch ein Sachbezug, ist eine Abwägung im Einzelfall erforderlich: Überwiegt die Meinungsfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person? Nur im letzteren Falle liegt nach dem Strafrecht eine Beleidigung vor.

    Landgericht München: Bezeichnung als "Gollum" unzulässig

    Vor wenigen Tagen entschied das Landgericht München I, die Bezeichnung eines Wissenschaftlers als "Gollum" sei unzulässig. Der Kläger verlangte, dass die beklagte Bürgerbewegung mit verschwörungsideologischen Ansichten aufhört, ihn als solchen zu bezeichnen.
    Gollum ist ein Fantasiegeschöpf aus den Fantasyromanen "Der Hobbit" und "Herr der Ringe" von J. R. R. Tolkien. Nach Ansicht des Gerichts ist die Figur überwiegend negativ konnotiert.
    Entscheidend fand das Münchner Landgericht dabei, dass überhaupt kein Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung bestand. Eine Beleidigung um der Beleidigung willen sozusagen.

    Verfassungsgericht gibt Grünen-Politikerin recht

    Für besondere Aufmerksamkeit sorgte im Jahr 2019 eine Entscheidung des Landgerichts Berlin. Es hatte über 22 Facebook-Kommentare, die sich gegen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast richteten, zu entscheiden. In den Kommentaren wurde die Politikerin als "Pädophilen-Trulla", "Sondermüll" und "Drecks Fotze" beschimpft.
    Das Landgericht Berlin urteilte: Die Kommentare seien zwar geschmacklos, polemisch und überspitzt, im Ergebnis aber "sachbezogene Kritik". Selbst die Bezeichnung als "Schlampe" ziele noch auf eine Auseinandersetzung in der Sache ab. Das stieß auf viel Unverständnis.
    Nach jahrelangem Rechtsstreit, der in einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gipfelte, bekam Künast schließlich doch vollumfänglich recht.
    Die Gerichte stellten klar: Es kommt nicht nur darauf an, ob ein Sachbezug besteht, sondern auch darauf, wer beleidigt wird. Eine Politikerin müsse in stärkerem Maße Kritik hinnehmen als eine "normale" Bürgerin. Und: Sie müsse umso mehr hinnehmen, je stärker die Äußerung einen politischen Bezug hat. Die wüsten Beleidigungen auf Facebook im Fall von Renate Künast gingen dennoch zu weit. Diese Art von Kritik müsse sich selbst eine Politikerin nicht bieten lassen.

    Björn Höcke darf "Faschist" genannt werden

    Zulässig hingegen ist die Bezeichnung von Björn Höcke als "Faschist". Der Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD darf als solcher bezeichnet werden, entschied das Verwaltungsgericht Meiningen im Jahr 2019. Hintergrund der Klage war eine Demonstration mit dem Titel "Protest gegen die rassistische AfD, insbesondere gegen den Faschisten Höcke".
    Der Titel wurde vom Gericht für zulässig befunden. Das Werturteil sei nicht aus der Luft gegriffen, sondern beruhe auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage.

    Kann der Begriff "Jude" als Beleidigung ausgelegt werden?

    Schwierig wird es bei eigentlich neutralen Begriffen. Die Bezeichnung einer Person als "Jude" kann als Hinweis auf die Religionszugehörigkeit einer Person verstanden werden.
    Es kommt jedoch auf den Zusammenhang an. Identifiziert sich der Äußernde etwa mit der nationalsozialistischen Rassenideologie und steht seine Äußerung damit in Zusammenhang, ist damit unter Umständen eine Herabsetzung verbunden, entschied das Bundesverfassungsgericht bereits 1999.
    Daraus folgt: Auch der Kontext ist entscheidend. Diese Rechtsprechung mag man verwirrend oder unübersichtlich finden. Sie zeigt aber: Auch die Gerichte machen es sich nicht leicht, wenn es darum geht, sowohl die Meinungsfreiheit als auch die persönliche Ehre Einzelner zu schützen.
    Charlotte Greipl ist Rechtsreferendarin in der Redaktion "Recht und Justiz"

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