Missbrauchsopfer: Benedikt erkannte System-Versagen nicht an

    Interview

    Missbrauchsopfer über Benedikt:"Systemisches Versagen seiner Kirche"

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    Die Haltung von Benedigt XVI. zu Missbrauch war ambivalent. Opferverbände wie der "Eckige Tisch" kritisieren, er habe nur "Einzelfälle" zugestanden, nicht aber Versagen der Kirche.

    Andreas Klinner im Gespräch mit Matthias Katsch
    Wie kaum ein anderer habe Papst Benedikt das System katholische Kirche verkörpert, sagt Matthias Katsch, Sprecher der Opferinitiative „Eckiger Tisch“.31.12.2022 | 2:57 min
    Sehen sie das ganze Interview mit Matthias Katsch oben im Video oder lesen es hier zusammengefasst:
    Die Opferorganisation "Eckiger Tisch" wirft Papst Benedikt XVI. vor, das systematisches Versagen der katholischen Kirche nicht anerkannt zu haben. Der Sprecher der Organisation, Matthias Katsch sagte im ZDF spezial, Benedikt habe, "wie kaum ein anderer" dieses System katholische Kirche, dem sie zum Opfer gefallen seien, verkörpert.

    Die Einsicht, dass es sich eben nicht um bedauerliche Einzelfälle, sondern tatsächlich um ein systemisches Versagen seiner Kirche handelte mit systemischen Ursachen - dazu ist er leider nie vorgedrungen, das hat er nicht zugelassen.

    Matthias Katsch, Sprecher der Opferinitiative "Eckiger Tisch"

    Zwar habe der frühere Papst auch Reformen gefordert, allerdings habe er den Weg der "Nulltoleranz", wie ihn die Betroffen forderten, eben nicht in seiner Amtszeit auf den Weg gebracht. "Das beklagen wir auch bis heute noch", sagt Katsch.

    Es sind viele Priester entlassen worden, aber es sind viele Tausend andere Täter eben nach wie vor im Schoße der Kirche aufgehoben worden.

    Matthias Katsch, Sprecher der Opferinitiative "Eckiger Tisch"

    Fall aus den 1980er Jahren wirft Schatten auf Benedikt

    Dies zeige etwa der Fall des Pfarrers Peter Hullermann, sagte Katsch. Dieser war im Frühjahr 1980 aus dem Bistum Essen nach München umgezogen und dort nach wenigen Monaten wieder in der Seelsorge eingesetzt worden.
    Benedikt, damals noch Erzbischof von München und Freising, soll von Hullermanns Vergangenheit gewusst haben. Dennoch konnte dieser auch in München weiterhin Jungen sexuell missbrauchen.
    Collage: Im Hintergrund der Schatten eines Kreuzes, das getragen wird, im Vordergrund ist Papst Benedikt XVI. zu sehen
    Benedikts Umgang mit dem Geschwür des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche ist vielschichtig. Das Thema überschattet sein Pontifikat und sein Erbe.31.12.2022 | 2:28 min

    Missbrauchsstudie belastet Benedikt

    Laut einer Missbrauchsstudie über diese Zeit, sei das Verhalten des damaligen Kardinals Ratzinger im Jahr 1980 kritikwürdig gewesen. Er habe sich nicht für die Leiden der Opfer interessiert.
    Der jetzt verstorbene Benedikt XVI. bat später als Papst um Entschuldigung.  

    Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind.

    Papst Benedikt XVI.

    Als Papst ging Benedikt strenger als andere im Kampf gegen Missbrauch vor. Er suchte als erster Papst die Begegnung mit den Betroffenen. Er sah den Skandal als ein Problem der Kirche selbst, forderte Hilfe für die Opfer und harte Strafen für die Täter. Auf seine Anordnung hin wurden die kirchlichen Normen verschärft. Er bat um Vergebung und versprach, "dass wir alles tun wollen, um solchen Missbrauch nicht wieder vorkommen zu lassen.“
    Das Vertrauen der Katholiken in die Institution Kirche hat durch den Missbrauchsskandal gelitten.
    Sexueller Missbrauch ist ein tiefsitzendes Problem der katholischen Kirche. Auch der Umgang von Benedikt XVI. mit dem Thema war ambivalent und stand immer wieder in der Kritik.31.12.2022 | 4:13 min

    Benedikts irritierende Aussagen nach seinem Rücktritt

    Auch als emeritierter Papst sorgte Benedikt wiederum für Irritationen zu dem Thema. Er veröffentlichte einen Text zu den Ursachen des Missbrauchs und der Kirche und macht darin die 68er-Bewegung und die sexuelle Befreiung verantwortlich. Das Echo darauf war verheerend. Zwar entschuldigte er sich, aber Aufrufen zur Übernahme persönlicher Verantwortung folgte er nicht.
    Matthias Katsch sagt deshalb auch im ZDF-Interview: "Ihm das jetzt als Verdienst aufzuerlegen oder anzuerkennen, dass er nach 2010 dort mehr Konsequenz gezeigt hat, als seine Vorgänger, das fällt mir tatsächlich schwer.
    Quelle: ZDF

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