Die Bergsteigersaison beginnt und mit ihr die Unfälle am Berg. Statistiken zeigen, dass Männer davon deutlich häufiger betroffen sind, als Frauen.
Seitdem Österreich vergangene Woche die Einreisebestimmungen für Deutsche gelockert hat, steht der Bergwandersaison momentan nichts mehr im Weg. Doch bereits am Pfingstwochenende ereigneten sich in den Alpen mehrere schwere Bergunfälle.
Ein Blick in die Bergunfallstatistik des Deutschen Alpenvereins (DAV) zeigt, dass Männer in den Bergen häufiger verunglücken als Frauen, sogar doppelt so häufig mit tödlichem Ausgang. Die Ursachen sind nicht allein körperlicher Natur. Vielmehr spielen auch am Berg gesellschaftliche Muster und alpinistische Traditionen eine große Rolle.
Die Bergwelt ist eine Männerwelt
Das weiß unter anderem Nina Schlesener. Die Berchtesgadenerin ist eine von wenigen weiblichen Bergführerinnen in Deutschland und hat in ihrem Beruf häufig die Erfahrung gemacht, dass Frauen nicht ernst genommen werden.
Daneben spielen Tradition und Heldenmythos eine große Rolle. In der Literatur, den Medien und der Selbstdarstellung vieler Bergsportler hält sich hartnäckig das Narrativ vom "Held am Berg", vom toughen Bezwinger hoher Gipfel und steiler Wände.
Männer und ihre Heldengeschichten
Eine, die damit wenig anfangen kann, ist Anja Blacha. Die Extremsportlerin hält eine Reihe an Rekorden: Sie bestieg als jüngste Deutsche die Seven Summits, sie war die erste deutsche Frau auf dem K2 und ging allein auf Langlaufskiern zum Südpol. Sie sagt:
Als Beispiel berichtet sie von einem russischen Extremsportler, der sich auf dem Weg auf den Mount Vinson in der Antarktis mehrere Finger abfror und diese dann martialisch als Halskette trug. Für Anja Blacha kein Heldentum, sondern schlechtes Kältemanagement.
Mangel an weiblichen Vorbildern
Dennoch führen diese Faktoren dazu, dass Frauen in den Bergen oft mit ungebetener Fremdeinschätzung konfrontiert werden. Dadurch seien ihnen ihre Ängste am Berg stets präsent, sagt Madeleine Crane. Die Sportpsychologin coacht seit zehn Jahren Sportler*innen im Profi- und Amateurbereich.
"Frauen neigen dazu, sich vielmehr an ihren Zweifeln aufzuhängen und sich selbst zu unterschätzen“, weiß sie. Außerdem fehle es an weiblichen Vorbildern im Alpinismus. "Das spielt unterbewusst eine große Rolle."
Gender und Sex haben ihren Anteil
Auch wenn es platt klingt: Die Biologie trägt ebenfalls etwas dazu bei. Das männliche Hormon Testosteron sorgt für eine höhere Risikobereitschaft, erklärt Madeleine Crane. Aber viel wichtiger sind die Auswirkungen des sozialen Geschlechts und die gesellschaftlichen Erwartungen, mit denen schon Kinder konfrontiert sind.
"Jungs kriegen sehr früh beigebracht, dass risikoreiches Verhalten als männlich gilt", so Madeleine Crane. In Folge handeln sie riskanter und schätzen dies als normal und gewünscht ein. Frauen dagegen werde vermittelt, sich eher zurückzunehmen und den Männern den Vortritt zu lassen.
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Erlebnis statt Performance
Aus ihrer Berufspraxis berichtet die Sportpsychologin, dass Frauen häufiger mit Themen auf sie zukommen, die sich um Selbstzweifel und Ängste drehen. "Höhenangst, Sturzangst – das sind unter anderem vorherrschende Themen für die Athletinnen, mit denen ich arbeite", erzählt sie. Bei Männern trete das viel seltener auf. "Diese wollen eher lernen, wie sie ihr Limit weiter pushen können."
"Frauen gehen definitiv anders am Berg", sagt auch Nina Schlesener. "Ihnen geht es häufig um ein schönes Gesamterlebnis. Männergruppen sind zielorientierter und der Gipfel steht hier eher im Vordergrund. Wenn der erreicht ist, kommt ein Haken dahinter."
Anja Blacha schätzt, dass Frauen für extreme Expeditionen vielleicht sogar besser geeignet sind. Denn gutes Risikomanagement und ein gesundes Risikobewusstsein schützen Frauen wie Männer vor falschen Entscheidungen und vermindern in Folge Unfälle. Hoffentlich auch in dieser Saison.