Das Kino ist seit mehr als hundert Jahren Sehnsuchtsort und Zuflucht. Aber nicht erst seit der Corona-Krise haben viele, vor allem kleinere Lichtspielhäuser zu kämpfen.
Der rote Teppich der Berlinale zu Besuch im Kiez-Kino. Karlheinz Werich-Opitz, Betreiber der Eva Lichtspiele in Berlin-Wilmersdorf, steckt "Berlinale Goes Kiez" mit schwarzen Lettern an seine Anzeigetafel, der große Aufsteller mit dem Berlinale-Bären muss noch vor den Eingang, dann kann die Vorstellung beginnen.
Die Eva Lichtspiele gibt es seit 1913, eröffnet noch zu Stummfilmzeiten. 250 Plätze bietet das Haus und neben moderner auch alte Vorführtechnik. Die Pandemie ist das bis jetzt einschneidendste Ereignis in der langen Geschichte.
"Also sicher mal kurz, na klar", ergänzt Werich-Opitz, "wegen Bombenalarm mussten alle in den Keller. Und dann war das Kino zu. Aber dann ging es weiter. Und jetzt haben wir tatsächlich einige Monate komplette Schließung hinter uns", sagt Werich-Opitz.
- Roth: "Brauchen das Kino, brauchen den Film"
Coronatests statt Glamour: Die zweite Berlinale unter Corona-Bedingungen ist öffnet - diesmal zumindest mit Präsenz. Ministerin Roth betonte: "Wir brauchen das Kino".
Viele Kinos durch Corona kurz vor der Pleite
Jetzt dürfen sie wieder spielen, mit Auflagen. Die wenigen Gäste decken aber kaum die Fixkosten und dabei ist gerade Kinosaison:
An diesem Abend wird der Dokumentarfilm "Nelly und Nadine" gezeigt. Eine bewegende Liebesgeschichte zweier Frauen, die sich im Konzentrationslager kennenlernen.
Streaming-Dienste sind harte Konkurrenz
Genau solche Filme sind es, der die Berlinale jedes Jahr ein Forum bieten will, eine größere Aufmerksamkeit. Und seit zwölf Jahren geht sie in die Kiez-Kinos hinein, bringt Stars und große Premieren in die kleinen Lichtspielhäuser um die Ecke.
Anna Jurzik, Projektleiterin der Festival-Sektion Berlinale Goes Kiez, findet es in diesem Jahr besonders wichtig, die Kiez-Kinos zu unterstützen:
- Kino-Krise zur Hochsaison
Kino ist ein Saisongeschäft. Hochsaison ist von November bis März - nein: wäre. Und wir wären nun mittendrin. Stattdessen befindet sich die Branche mitten in der Krise.
Dieser Ort ist gefährdet, nicht erst seit der Pandemie. Streaming-Dienste haben dem Kino stark zugesetzt. Kürzlich erst prognostizierte Regisseur Roland Emmerich in der Süddeutschen Zeitung das Aus für viele Lichtspielhäuser: "Das Kino gibt es noch zehn, 20 Jahre". Die Filme würden ins Netz wandern, die wenigen verbleibenden Kinos zu subventionierten Kulturorten wie manche Theater werden.
Bräuer: Staatliche "Hilfsprogramme wirken wie Schwimmflügel"
Die Pandemie scheint diesen Trend zu beschleunigen. 60 Prozent weniger Tickets wurden verkauft als in den Jahren vor der Corona-Krise, beklagt der Verband der Filmverleiher. Bisher sind erstaunlich wenige Häuser tatsächlich geschlossen worden, auch dank der Hilfen vom Staat.
"Und wenn ich jetzt ein Blick nach vorne wage, geht es natürlich darum, dass wir nicht nur über Wasser bleiben, um bei diesem Bild zu bleiben, sondern eben wieder an Land kommen, auf die eigenen Füße und wieder auch als Kinos wettbewerbsfähig sind", fügt Christian Bräuer, Vorstand der AG Kino und Geschäftsführer der Yorck-Kinos, hinzu.
Kino hat auch eine soziale Funktion
Karlheinz Werich-Opitz von den Eva Lichtspielen bleibt vorsichtig optimistisch. Für ihn wäre eine Welt ohne Kinos in der Nachbarschaft ein trauriger Ort. Kein Streaming-Dienst könne das Gemeinschaftsgefühl im Saal ersetzen.
Und als sein Projektor in der Pandemie auch noch kaputt ging, Kostenfaktor 65.000 Euro, halfen seine Gäste mit Spenden. Bei der Vorstellung bedankt er sich auch dafür noch einmal bei seinen Zuschauerinnen und Zuschauern - und für ihre Treue:
Der Berlinale-Goes-Kiez-Abend war jedenfalls ein voller Erfolg und in diesem Jahr so wichtig wie nie.
Nadia Nasser und Stephanie Paersch sind Kultur-Reporterinnen im ZDF-Landesstudio Berlin.