Der Schutz der Menschen im Kriegsfall ist Aufgabe des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Das könne das Amt aktuell nicht leisten, beklagt ein hoher Beamter.
Die Angst vor Krieg und Krise ist zurück. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind Lebensmittelknappheit oder Stromausfall zu realen Bedrohungsszenarien geworden.
"Für einen klassischen Kriegsfall können wir momentan gar nicht ganz aktuell gerüstet sein." Es ist ein bitteres Fazit, das Wolfram Geier, Leiter der Abteilung Risikomanagement im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK), im Interview für die ZDFzoom-Doku "Die Spur: Bunker, Sirenen, Vorräte – Wie schützt uns der Staat im Krisenfall?" zieht.
Die Behörde ist für den Zivilschutz zuständig, den Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall. Das Thema gerate nun wieder mehr in den Fokus, doch aktuell sei Deutschland dafür nicht vorbereitet, so Geier.
Großer Stromausfall würde Gesellschaft "kollabieren" lassen
Der Katastrophenschützer arbeitet seit der Gründung 2004 im Bundesamt. Sein Job ist es, mögliche Bedrohungsszenarien auszuarbeiten und die Politik davor zu warnen.
Aktuell hält Geier trotz russischer Drohungen nicht den Kriegsfall, sondern einen großen Blackout - einen Stromausfall - für die größte Bedrohung Deutschlands.
Geier glaubt, das werde sowohl von der Politik als auch der Gesellschaft insgesamt, so noch nicht richtig wahrgenommen. "Wir sind nicht darauf vorbereitet", meint der Risikomanager.
Mahnen und warnen – und dann?
Seit Jahren schreibt das BBK regelmäßig Risikoanalysen. 2012 hat die Behörde beispielsweise den Verlauf einer möglichen Sars-Epidemie beschrieben. Das öffentliche Papier liest sich heute wie ein Drehbuch des Ausbruchs der Corona-Pandemie im März 2020. Die Behörde sah auch Defizite bei der Schutzkleidung und beim Krisenmanagement.
Auch andere Szenarien wurden in der Vergangenheit angemahnt, doch die Politik leitet daraus meist kein Handeln ab. "Nach einer Risikoanalyse muss zwingend eine Risikobewertung kommen. Das ist ein politischer Prozess", erklärt Geier. "Und aus der Bewertung heraus müssen Maßnahmen beschlossen werden. Auch das ist ein politischer Prozess. Und an der Stelle glaube ich, da hakt es noch."
Der schwere Stand der Katastrophenschützer
Der Hauptfokus der Behörde lag immer auf dem Zivilschutz. Das BBK sollte also im Kriegsfall helfen. Weil auf der politischen Führungsebene aber kaum jemand einen Krieg für wahrscheinlich hielt, fristete das BBK viele Jahre ein Schattendasein.
Als 2014 Russland die Krim besetzt, erarbeitete das BBK unter Bundesinnenminister Thomas de Maizière Pläne, auch in Hinblick auf mögliche russische Aggressionen. Diese sehen auch vor, dass sich die Bevölkerung mit Lebensmittelvorräten für den Ernstfall wappnen soll. In der Öffentlichkeit werden die Pläne zerrissen. So titelten Zeitungen beispielsweise "Was soll der Quatsch mit den Hamsterkäufen?" Die Liste von damals ist heute noch aktuell.
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Innenministerin Faeser will Behörde stärken
Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich die öffentliche Stimmung gewandelt. Plötzlich ist das Thema Vorräte nicht mehr so abwegig. Auch will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das BBK künftig stärken. Ein gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz soll die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verbessern. Im Interview mit ZDFzoom sagt die Ministerin:
"Das ist eine sehr enge Zusammenarbeit mit bestehenden Strukturen aus Bund und Land und einem regelmäßigen Austausch. Das ist das Entscheidende dabei. Da geht es nicht um Neuschaffung."
SPD sucht obersten Katastrophenschützer
Doch um das BBK zu stärken, muss erst mal eine neue Chefin oder ein neuer Chef gefunden werden. Der bisherige Präsident Armin Schuster ist vor kurzem sächsischer Innenminister geworden und nach Dresden gewechselt. Auf die Neue oder den Neuen wartet ein Mammutaufgabe.
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Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.