Eine Schmähplastik aus dem Mittelalter an der Stadtkirche Wittenberg muss nicht entfernt werden. Das hat der BGH geurteilt.
Die judenfeindliche Schmähplastik darf weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt Wittenberg bleiben. Der Bundesgerichtshof wies die Klage eines Mitglieds der jüdischen Gemeinde ab.
Die als Wittenberger "Judensau" bekannte Schmähplastik darf weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt bleiben. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage gegen das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG) ab.
Kläger sieht sich selbst diffamiert
Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht. (Az.: VI ZR 172/20)
Ein antisemitisches Relief an der Predigtkirche von Martin Luther. Die einen wollen die sogenannte Judensau aus dem 14. Jahrhundert im Lutherjahr endlich entfernt haben, andere sehen darin Kulturgeschichte.
Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt in vier Metern Höhe eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein.
Die mit dem Schmähbegriff betitelte "Judensau" gehört deshalb nach Ansicht des Klägers in ein Museum.
Richter: Fehlt an "gegenwärtiger Rechtsverletzung"
Der Kläger könne nicht die Entfernung verlangen, weil es an einer "gegenwärtigen Rechtsverletzung" fehle, sagte der Vorsitzende Richter des VI. Zivilsenats, Stephan Seiters, in Karlsruhe zur Begründung. Die beklagte Kirchengemeinde habe den ursprünglich rechtsverletzenden Zustand dadurch beseitigt, dass eine Bodenplatte und ein Aufsteller angebracht wurden.
Der Rechtsextremismus bleibt nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die größte extremistische Bedrohung für die Demokratie in Deutschland - das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht hervor.
Isoliert betrachtet verhöhne und verunglimpfe das Relief das Judentum als Ganzes. Der rechtsverletzende Zustand werde allerdings nicht allein durch die Entfernung, sondern auch durch die Distanzierung beseitigt, so Seiters. Bei Gesamtbetrachtung habe sich die beklagte Kirche durch die Anbringung von Bodenplatte und Aufsteller erfolgreich vom Inhalt des Reliefs distanziert.
Pfarrer: Kirchengemeinde wird weiter Distanzierung vorantreiben
Stadtkirchenpfarrer Alexander Garth zeigte sich nach dem Urteil erleichtert. Gleichzeitig spüre er jedoch eine Verpflichtung, an der Distanzierung weiterzuarbeiten, sagte er vor Journalisten in Karlsruhe. Dies werde die Kirchengemeinde tun.
Das Relief sei ein "Schandmal, das den jahrhundertelangen christlich motivierten Antijudaismus" symbolisiere.
Wie das konkret aussehen werde, könne er noch nicht sagen. Es solle jedoch zeitgemäß sein.