Kinderpornografie: Haftstrafen für "Boystown"-Betreiber

    Kinderpornografie-Plattform:Haftstrafen für "Boystown"-Betreiber

    von Ulrich Stoll und Marcus Bensmann
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    Das Landgericht Frankfurt/M. hat vier Männer zu Haftstrafen verurteilt, die im Darknet eine Kinderporno-Tauschbörse betrieben hatten. Zwei Täter hatten Kinder missbraucht.

    Der 60-jährige gebürtige Kieler Christian Manfred K. fungierte von 2019 bis 2021 von einer Hütte im Norden von Paraguay aus als Administrator der Bilder- und Videotauschbörse "Boystown". Das Frankfurter Landgericht verurteilte ihn jetzt zu acht Jahren Haft wegen des "bandenmäßigen öffentlichen Zugänglichmachens von kinder- und jugendpornografischen Schriften".
    Bei der Operation "Hades" hatte ein Ermittlerteam aus Deutschland und Paraguay zusammengearbeitet und war K. schließlich auf die Spur gekommen. "Er war wie ein Geist, der nach Paraguay kam und wieder verschwand", sagte die leitende Staatsanwältin Irma Llano dem ZDF und dem Recherchenetzwerk Correctiv. "Wir hatten praktisch nichts. Aber es gibt kein perfektes Verbrechen."
    Täter Christian Manfred K. im Dschungel von Paraguay
    Jagd auf Kinderporno-Netz07.12.2022 | 12:53 min

    Tatort: Hütte im Urwald

    K. war 2014 aus Deutschland ausgereist und hatte sich im Urwald nahe Belém niedergelassen. Die von ihm ab 2019 betriebene Darknet-Plattform "Boystown" mit kinderpornografischen Inhalten hatte über 400.000 Nutzer.
    In sozialen Medien hatte K. zuvor seinen Wohnort verraten. Dem Ermittlerteam gelang es in monatelanger Arbeit, die Pseudonyme, unter denen K. das Kinderpornografie-Netz betrieb, seinem Klarnamen zuzuordnen. Im April 2021 konnten sie ihn in flagranti verhaften, als er gerade auf der Plattform "Boystown" aktiv war.
    Staatsanwältin Ana Laura Marecos war damals bei der Festnahme dabei und fuhr mit dem Team von Correctiv und ZDF noch einmal zum Tatort - eine einfache Hütte. Sie zeigte das Bett, von dem aus K. das weltweite Kinderpornografie-Netz betrieben hatte: "Er schlief hier, da waren Möbel, die Matratze lag am Boden, alles war dreckig. Überall war Hundefutter."

    In der gesellschaftlichen Diskussion wird häufig vertreten, dass der Begriff "Kinderpornografie" unpassend sei, da er Gewalt gegen Kinder verharmlose. Es gibt für diese Ansicht gute Argumente. Der strafrechtliche Paragraf § 184b StGB spricht jedoch von der Verbreitung von "kinderpornografischen" Schriften. Im Alltag wird auch oft der Begriff "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder" oder "dokumentierter Kindesmissbrauch" verwendet.

    Es sei ihm nicht um Geld gegangen, sondern um den Austausch von Kinderpornografie unter Triebtätern, so die Ermittlerin. Er habe sogar weitere pädokriminelle Deutsche nach Paraguay eingeladen. "Hier war es sehr einfach, an Kinder zu gelangen und Kinderpornografie zu produzieren", sagt Chefermittlerin Irma Llano. Ende 2021 lieferten die paraguayischen Behörden K. nach Deutschland aus.

    Drei weitere Täter im "Boystown"-Komplex verurteilt

    Mittäter Fritz K., 66 Jahre alt, wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er soll über 8.000 Posts auf der kinderpornografischen Plattform "Boystown" verbreitet haben. Zwölf Jahre muss der 49-jährige Alexander G. ins Gefängnis, danach in Sicherungsverwahrung. Er hatte Kinder missbraucht, die Taten gefilmt und die Videos ins Darknet gestellt. Außerdem hatte er dort kinderpornografische Texte publiziert.
    Alexander G. hat schriftlich seine Schuld eingeräumt. Er sei "bereit, eine Therapie anzutreten, wenn notwendig, mich mit Medikamenten sexuell unfähig machen zu lassen", teilte er schriftlich dem Gericht mit.

    Anwalt: Löschung kinderpornografischer Inhalte wohl nicht möglich

    Der vierte Täter ist der 42-jährige Andreas G., der zu zehneinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde. Das Gericht befand ihn unter anderem für schuldig, den 13-jährigen Sohn eines befreundeten Ehepaares immer wieder missbraucht zu haben.
    G. stellte die Videos auf der Plattform "Boystown" anderen Tätern zur Verfügung. Rechtsanwalt Walter Schäfers vertritt das Missbrauchsopfer:

    Was ihn ganz besonders belastet, ist, dass eine Löschung nicht möglich sein wird, dass auf Dauer seine Fotos wohl noch in dem internationalen Netzwerk kursieren werden.

    Walter Schäfers, Rechtsanwalt

    Nutzer der Plattform "Boystown" noch nicht identifiziert

    Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft versucht nun, die 400.000 Nutzer der Plattform "Boystown" zu identifizieren.
    "Wenn die Täter durch einen Tor-Browser das Darknet betreten, dann dient ihnen die Verschlüsselung ihrer Aktivitäten natürlich und macht es uns erheblich schwerer, die Täter zu identifizieren", sagte Staatsanwalt Sebastian Zwiebel nach der Urteisverkündung.
    "Wir können nicht zufrieden sein, bevor wir nicht jeden Nutzer der Plattform oder jeden, der mit dem Betrieb der Plattform in irgendeiner Form zusammenhängt, identifiziert haben."

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    ZDFinfo Doku zum Fall Lügde: