Seit Wochen wüten in Portugal verheerende Waldbrände. Mehr als die Hälfte von ihnen werden von Menschen ausgelöst. Nicht selten steckt auch gezielte Brandstiftung dahinter.
Mit roten Metallfahnen, Lupe und einer Pinzette bewaffnet kniet Bruno Freitas auf der verkohlten Erde. Sobald das Feuer gelöscht ist, beginnt seine Arbeit. Jeder noch so kleine verkohlte Ast kann ihm einen Hinweis zur Brandursache geben.
Zentimeterweise untersucht der Polizist deshalb das, was vom Olivenhain noch übrig ist. Nach 20 Minuten Spurensuche steht sein Fazit fest: "Das Feuer ist durch direkte Flammen ausgelöst worden, wahrscheinlich ein Feuerzeug. Das heißt, hier war es keine Unachtsamkeit. Das hier war sehr wahrscheinlich Brandstiftung."
Schon kleine Flammen können verheerende Brände auslösen
Und damit endet seine Arbeit hier. Die Ermittlungen soll die Kriminalpolizei übernehmen. Freitas packt sein Werkzeug wieder in den schweren Rollkoffer, steigt mit seinen beiden Kollegen in den Jeep und verlässt das kleine Dorf irgendwo im Landesinneren von Portugal.
Seit Wochen wüten in Portugal schwere Waldbrände und zerstören tausende Hektar Vegetation. Die Feuerwehr kämpft. Drohnen helfen, besonders gefährdete Gebiete zu überwachen.
Hier, rund 120 Kilometer nördlich von Lissabon, ist nicht viel los. Ein paar Häuser, Olivenbäume und wenig Infrastruktur. Es ist heiß, und die Luft ist trocken. Dazu weht ein warmer Wind. Es ist Hochsommer und Waldbrand-Saison in Portugal. Schon eine kleine Flamme hier kann verheerende Auswirkungen haben.
Waldbrände zu mehr als 75 Prozent von Menschen verursacht
Vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss versprach der portugiesische Innenminister José Luis Carneiro im Juli 2022, Portugal tue alles, um die Gesellschaft für die Risiken von solchen Feuern zu sensibilisieren und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.
Die portugiesische Regierung geht davon aus, dass nur 23 Prozent aller Brände rein natürliche Ursachen haben. Rund 60 Prozent entstünden, weil Menschen unachtsam mit Feuer umgingen. Beim Grillen, Rauchen oder beim unachtsamen Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen.
Bei 13 Prozent soll vorsätzliche Brandstiftung vorliegen. Allein 2022 haben die portugiesischen Behörden bisher 66 Menschen wegen Brandstiftung festgenommen.
Untersuchungshaft als vorbeugende Maßnahme
Der Sinn hinter dieser Maßnahme sei, dass die gefassten Brandstifter keine weiteren Feuer mehr legen können. Zumindest für die Zeit, in der die Waldbrandgefahr am höchsten ist.
- Europa: Schon jetzt 660.000 Hektar verbrannt
660.000 Hektar - noch nie seit Aufzeichnungsbeginn ist innerhalb eines Jahres in Europa so viel Fläche verbrannt. Viele Feuer wüteten auch jenseits der Mittelmeerländer.
Die Polizei hat außerdem eine Datenbank, in der die gefassten Brandstifter aufgelistet sind. Das soll helfen, während der Waldbrand-Saison besser eingrenzen zu können, wer in welcher Region potenzieller Brandstifter ist. Aber was ist nach dem Sommer?
Brandstifter suchen Aufmerksamkeit
Da ebbt das Interesse an Waldbränden und deren Ursachen schlagartig ab. Genau da müsse man sich um die Brandstifter kümmern, erklärt Mauro Paulino. Der portugiesische Psychologe erforscht das Verhalten von Menschen, die absichtlich Brände legen und deren Motive.
Auffällig oft seien das Menschen, so Paulino, die isoliert leben, ohne Kontakt zu anderen Menschen. Ein großes Feuer sorgt für Aufmerksamkeit. Im Ort, bei den Behörden, manchmal sogar in den Medien. Das sei eine Motivation von Brandstiftern, die Spannung und Aufmerksamkeit suchen. Sie wollen das von ihnen gelegte Feuer im Fernsehen sehen, so der Psychologe.
Europaweit sei die Trockenheit so anhaltend, dass noch bis September mit neuen Feuern und dem Wiederaufflammen bereits gelöschter Brände gerechnet werden müsse.
Brandstiftung vermeiden durch Kombination von Maßnahmen
Die Motive für Brandstiftung seien vielschichtig. Es gibt nicht unbedingt bei jedem Täter einen entscheidenden Grund für sein Verhalten. Aber: "Die Statistik zeigt, dass die Mehrheit der Brandstifter männlich ist. Oft Personen mit geringer kognitiver Entwicklung und einigen auffälligen sozialen und familiären Merkmalen."
Das sei laut aktuellen Studien ein gängiges Muster; bedeute aber nicht, dass alle Brandstifter in diese Kategorie passen, betont der Brandstifter-Experte.
Ohne der gezielten Kombination aus Bestrafung, Kontrolle und psychologischer Behandlung werde man das Problem der Brandstiftung in Portugal nicht in den Griff bekommen, sagt Mauro. Es gibt zwar psychologische Behandlung, aber gerade in den dünn besiedelten Waldgebieten im Landesinneren von Portugal zu wenig.
Anna Warsberg ist Reporterin im ZDF-Studio Südwesteuropa.