Warnung aus Brasilien: NGO-Arbeit wird nach der WM vergessen

    Erst Brasilien, jetzt Katar:Wird NGO-Arbeit nach der WM vergessen?

    von Tobias Käufer, Rio de Janeiro
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    Vor der WM 2014 in Brasilien bewegte der Kampf um den Erhalt eines indigenen Museums am Maracana-Stadion die Medien. Danach verschwand das Interesse. Wird es in Katar ähnlich sein?

    Jose Urutau Guajajara im kleinen Dorf am Maracana-Stadion, Brasilien
    Jose Urutau Guajajara im kleinen Dorf am Maracana-Stadion.
    Quelle: Tobias Käufer

    Der Plan der WM-Organisatoren in Brasilien sah ein Einkaufszentrum und VIP-Parkplätze vor. Doch dazu sollte eine historische indigene Universität abgerissen werden. Direkt am weltberühmten Maracana-Stadion, in dem Deutschland später am 13. Juli 2014 im Finale Argentinien mit 1:0 besiegen sollte.
    Doch es kam anders. Aktivisten verschanzten sich rund um das Gebäude, es kam zu Konfrontationen mit der Polizei, die internationalen Medien berichteten. Am Ende konnten die Indigenen zumindest den Abriss verhindern. Mehr allerdings nicht, geblieben ist ein einsamer Kampf.
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    Nach der WM 2014 und den Olympischen Spielen 2016 wurde es ruhig. Die NGOs zogen weiter nach Russland und nach Katar, das mediale Interesse blieb überschaubar. Doch die Indigenen sind bis heute geblieben, setzen ihren Kampf auch ohne das Scheinwerferlicht der internationalen Medien und die Berichte der Nachrichtenagenturen fort.
    Es ist ein mühsames Duell gegen rechte wie linke Regierungen, die sich des Themas einfach nicht annehmen wollen.

    Heute pinkeln Fußball-Fans auf das Gelände

    Es war ein harter Kampf, weil uns der Staat das Wasser und den Strom abgestellt hat, auch vom Kanalnetz wurden wir abgetrennt.

    Jose Urutau Guajajara, Bürgermeister des indigenen Dorfes Maracana

    Guajajara kämpft seit acht Jahren für den Erhalt des historischen Gebäudes.
    Die indigene Universität direkt am Stadion droht zu verfallen
    Die indigene Universität direkt am Stadion droht zu verfallen.
    Quelle: Tobias Käufer

    Es sind bisweilen bizarre Szenen, die sich an einem Spieltag dort abspielen. Das Areal ist durch einen Bauzaun abgesperrt. Während innerhalb des Geländes Kurse über die indigene Kultur und Sprache informieren, stehen auf der anderen Seite des Bauzauns betrunkene, grölende Fans.

    Wenn Flamengo spielt, sind 60.000 Menschen da, die wollen sogar ständig auf unsere Köpfe urinieren.

    Jose Urutau Guajajara, Bürgermeister des indigenen Dorfes Maracana

    Wie nachhaltig sind die Proteste in Brasilien?

    Für Urutau Guajajara sind die Nachrichten aus Katar ein Déjà-vu, wieder schaut eine ganze Welt auf ein Land, kämpfen NGOs um Aufmerksamkeit und Medienpräsenz. Aber danach: Wie nachhaltig sind Proteste, die selbst Nachhaltigkeit einfordern?

    Jetzt, wo wieder WM in Katar ist, interessieren sich auch einige Medien für uns – wie Sie.

    Jose Urutau Guajajara, Bürgermeister des indigenen Dorfes Maracana

    "Aber in Katar weiß niemand etwas von uns. Sie wissen nicht einmal, was hier gemacht wird, für sie ist es nur Fußball, Neymar. Und wir wollen hier einfach in Frieden leben", sagt Urutau Guajajara.

    Tipp für NGOs in Katar: Ein langer Atem

    Den Menschenrechtsverteidigern in Katar rät er zu einem langen Atem. Es komme sehr bald die Zeit, da würden sie wieder vergessen von der internationalen Öffentlichkeit, glaubt Urutau Guajajara.
    Dann zieht das Interesse weiter, zu den Olympischen Spielen in Paris, zur WM nach Mexiko und den USA und die, die in Katar für Verbesserungen kämpfen, sind schon wieder Geschichte und weitgehend alleine. "Man braucht einen langen Atem, einen sehr langen Atem".

    Wir harren hier jetzt seit acht Jahren aus, aber im Grunde dauert unser Kampf 522 Jahre, als die Europäer nach Amerika kamen.

    Jose Urutau Guajajara, Bürgermeister des indigenen Dorfes Maracana

    "Wir kämpfen gegen diese Struktur, die schwer zu durchbrechen ist, aber der Widerstand zeigt, dass wir am Leben sind", so Urutau Guajajara.
    Und es gibt vielleicht Hoffnung, dass all die Mühen nicht umsonst waren. Mit dem Wahlsieg von Lula da Silva kehrt der Präsident an die Macht zurück, der die WM und die Olympischen Spiele nach Brasilien holte. Anders als erhofft brachten die Großereignisse Korruption und Rassismus, denn die teuren Eintrittskarten für die modernisierten Stadien können sich die meist armen afrobrasilianischen Fans seit der WM nicht mehr leisten.
    Lula sagte jüngst, es sei Zeit, den brasilianischen Indigenen Wiedergutmachung zu leisten. Der Erhalt und die Unterstützung des indigenen Museums am Maracana wäre ein kleiner Schritt in diese Richtung.

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