Wer sich zuhause Uniform und Ausrüstung anzieht, obwohl dies auch beim Arbeitgeber möglich ist, kann das nicht als Arbeitszeit anrechnen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht.
Frank Müller bewacht seit Jahren gefährdete Gebäude in Berlin, zum Beispiel Synagogen oder Botschaften. Er ist im Objektschutz der Berliner Polizei beschäftigt, allerdings nicht als klassischer Polizeibeamter, sondern als Angestellter mit einer kurzen, 16-wöchigen Ausbildung.
Jeden Tag muss der 59-Jährige seinen Dienst in Uniform antreten, ausgerüstet mit einer Vielzahl an Gegenständen: Pistole, Reservemagazin, Handschellen, Reizstoffsprühgerät, Schlagstock und Schutzweste.
Muss das Umziehen bezahlt werden?
Er könnte zwar einen eigenen Spind bei der Polizei beantragen – weil er als Springer aber ständig an anderen Orten eingesetzt wird, zieht er sich lieber in der eigenen Wohnung um. Das dauert 14 Minuten pro Tag – und diese Zeit soll als Arbeitszeit bezahlt werden, argumentiert sein Anwalt Johannes Weberling.
"Wenn der Arbeitgeber verlangt, dass der Arbeitnehmer besondere Dienstkleidung anhat, wie zum Beispiel der Rettungssanitäter seine Rettungssanitäter-Ausrüstung, und er nur so zum Dienst erscheinen kann, ist dieses Anziehen bereits Arbeitszeit", sagte Weberling. Ein normaler Arbeitnehmer müsse solche Dinge logischerweise nicht anziehen.
- Kommt die Pflicht zur Stechuhr?
Es gibt bis heute kein Gesetz zur Arbeitszeiterfassung - obwohl ein Grundsatzurteil schon knapp zwei Jahre zurückliegt. Für Unternehmen könnte das ein Risiko werden.
Kläger könnte sich bei Polizei umziehen
Das Bundesarbeitsgericht sieht das aber anders. Die höchsten deutschen Arbeitsrichterinnen und -richter haben heute entschieden, dass es prinzipiell nicht zur bezahlten Arbeitszeit gehört, wenn sich Wachpolizisten zuhause umziehen und die Ausrüstung anlegen.
Frank Müller hätte nämlich die Möglichkeit gehabt, sich "am Wachobjekt" – sprich bei der Polizei – umzukleiden, sagte Oliver Klose, Sprecher des Bundesarbeitsgerichts. Das hat Müller aber nie beantragt. Es sei deshalb die freie Entscheidung der Wachpolizisten, sich zuhause umzuziehen, und nicht allein der Wunsch des Arbeitgebers.
Wichtiger Faktor: Wird Umkleide gestellt oder nicht
"Genauso ist der Weg zur Arbeit auch Teil meiner privaten Lebensführung", so Oliver Klose, Sprecher des Bundesarbeitsgerichts.
Für alle Beschäftigten in Uniform hat das Urteil aus Erfurt grundsätzliche Bedeutung – sowohl im öffentlichen Dienst als auch im privaten Sektor. Wer eine Möglichkeit zum Umziehen angeboten bekommt, sollte dies wahrnehmen. Erst ab dann läuft die Arbeitszeit.
Weg von Umkleideraum zur Arbeitstelle ist Arbeitszeit
Wer keine Möglichkeit bekommt, sich umzuziehen, darf auch die Zeit für das Umziehen zuhause als Arbeitszeit berechnen. Und auch nur der Weg vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle zählt als Arbeitszeit. Ausnahmsweise gilt nur dann etwas anderes, wenn der jeweilige Tarifvertrag eine Regelung fürs Umziehen vorsieht.
Christian Deker arbeitet als Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz. Dem Autor bei Twitter folgen: @christiandeker