Mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland haben sich mittlerweile mit dem Coronavirus infiziert. Wie geht es in den nächsten Tagen und Wochen weiter? Das sagen Experten.
Die bundesweite Zahl der seit Beginn der Pandemie nachgewiesenen Corona-Infektionen hat die 20-Millionen-Marke überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Gesamtzahl am Samstagmorgen mit 20.145.054 an. Der tatsächliche Wert dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erfasst werden.
Zeeb: Zunahme von Corona-Fällen
"Meine Erwartung ist noch eine weitere Zunahme der täglich gemeldeten Fälle für einige Tage, vielleicht Wochen", sagte der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb der Deutschen Presse-Agentur.
Durch saisonale Effekte und allmählich zunehmende Immunität sei dann mit einem Plateau und dem Absinken zu rechnen. Generell bleibe der Verlauf aber schwer vorauszusagen, so Zeeb.
Kluge: Auf Intensivstationen ist Lage stabil
Bei der Belegung der Intensivstationen zeige sich derzeit eine Stagnation bei etwas über 2.000 Fällen, führte der Hamburger Intensivmediziner Stefan Kluge aus. "Auf den Intensivstationen ist die Lage stabil." Die Normalstationen seien zwar recht stark gefüllt, ein Großteil der positiv getesteten Patientinnen und Patienten sei aber nicht ursächlich wegen einer Corona-Infektion aufgenommen. Der Direktor der UKE-Klinik für Intensivmedizin fasste zusammen:
Grundsätzlich sehe man viel seltener schwere Verläufe als etwa auf dem Zenit der Delta-Welle, sagte Kluge. Er warnte aber, dass auch eine Omikron-Infektion schwer verlaufen könne.
Was die Krankenhäuser derweil jedoch bundesweit besonders stark präge, seien die Personalausfälle durch Infektionen.
Auch wenn sehr viele Ärztinnen, Ärzte und Pflegende etwa im UKE geboostert seien und sie daher meist nur milde erkrankten, fielen sie sieben bis zehn Tage aus. Sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen Bereich seien die Einschnitte deutlich zu spüren.
Gerade auch bei älteren Menschen gingen die Infektionszahlen zuletzt hoch, unter den weiter täglich teils über 200 oder sogar 300 gemeldeten Todesfällen seien sehr viele Ältere, mahnte Epidemiologe Zeeb. Insbesondere für diese Altersgruppe, so betonte er, bleibe ein möglichst aktueller Impfschutz extrem bedeutend.
Experten für Beibehaltung der Maskenpflicht
Ein vieldiskutiertes Ende der Maskenpflicht beurteilen die Experten aus der Wissenschaft kritisch. Masketragen zum Selbstschutz sei und bleibe sehr wichtig, machte Zeeb klar. Auch Intensivmediziner Kluge betonte, wie effektiv die Maske schütze, und forderte, die Maskenpflicht noch nicht fallen zu lassen. Aus medizinischer Sicht würde man natürlich jetzt erst mal den Höhepunkt bei den Infektionsraten abwarten wollen, bevor man an die Maßnahme des Masketragens herangehe.
Zeeb betonte, es bleibe die Aufgabe, die vulnerablen Menschen zu schützen und vor allem bei ihnen "den Impfstatus so hoch wie möglich zu schrauben". Die Verlagerung auf individuell verantwortliches Handeln angesichts weitgehend fallender Corona-Auflagen könne zwar funktionieren, "aber halbwegs sicher werden wir da erst in einiger Zeit sein", mahnte der Experte.
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"Infektion ist wie eine einzelne Impfdosis"
Durchbruchinfektionen mit der Omikron-Variante erhöhen nach Angaben des Immunologen Carsten Watzl den Immunschutz Geimpfter erheblich. "Eine Infektion ist wie eine einzelne Impfdosis", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". "Für Geimpfte wirkt sie wie ein Booster mit einem angepassten Impfstoff."
Die momentan hohe Zahl an Infektionen und der damit einhergehende Immunschutz kann sich nach Ansicht des Generalsekretärs der Deutschen Gesellschaft für Immunologie im Herbst auszahlen - "wenn keine neue gefährlichere Variante kommt". Ob eine Impfpflicht angesichts dessen überhaupt noch nötig sei, sei "die 100.000-Dollar-Frage".
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