Abwasseruntersuchungen sollen bei der Einschätzung der Corona-Lage helfen können. Das Verfahren hat Vorteile, ganz ausgereift ist es aber noch nicht.
Wie streng die Corona-Beschränkungen in einer Region in Deutschland sind, hängt vom Infektionsgeschehen ab. Die Lage beurteilen die Behörden unter anderem anhand der Zahl positiver Corona-Tests. Dabei gäbe es eine weitere Methode, die durchaus Vorteile bietet. Abwasser-Analysen können einen guten Überblick geben, wie stark der Erreger in der Bevölkerung verbreitet ist. Doch bislang ist das System noch nicht ausgereift genug.
EU und Bund unterstützen das Verfahren
Zwar befällt das Coronavirus in der Hauptsache die Atemwege, doch Partikel des Erregers lassen sich auch im Stuhl nachweisen. Geht es nach der EU und der Bundesregierung soll die Untersuchung des Abwassers deshalb zu einem wichtigen Instrument in der Früherkennung und Lokalisierung des Infektionsgeschehens werden.
Die EU macht dabei Druck. In einer Empfehlung der Kommission vom März heißt es: "Die Mitgliedstaaten werden nachdrücklich aufgefordert, so bald wie möglich, spätestens jedoch bis zum 1. Oktober 2021 ein nationales Abwasserüberwachungssystem zur Corona-Früherkennung einzurichten." Rechtlich bindend ist die Empfehlung aber nicht.
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Auch asymptomatische Infektionen erfasst
Das hätte nach Ansicht des Bundesforschungsministeriums einige entscheidende Vorteile gegenüber der herkömmlichen Beurteilung der Lage via Tests. Es könnte die Gesamtbevölkerung einschließlich asymptomatisch Infizierter erfasst werden.
"Und zwar unabhängig von der Bereitschaft, sich testen zu lassen, oder den vorhandenen Testkapazitäten", erklärte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Solche Abwasseranalysen leuchteten somit das Dunkelfeld der Infektionen aus.
Außerdem seien diese Erhebungen im Gegensatz zu den Testergebnissen weitestgehend vom Wochen- und Feiertagsrhythmus unabhängig und könnten die Dynamik des Infektionsgeschehen mit etwa zehn Tagen Vorlauf vor den klinischen Fallzahlen abschätzen.
Verfahren wies bereits Ausbrüche nach
Dass sich die Abwasseruntersuchungen zur Coronafrüherkennung grundsätzlich eignen, habe man anhand mehrerer Beispiele schon beobachten können, teilt die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) auf Anfrage mit.
Mit solchen Untersuchungen habe man beispielsweise in Berchtesgaden (Bayern) regionale Ausbrüche lokalisieren und entsprechende Schritte einleiten können. Im Abwasser eines Schweizer Skigebiets wiesen Forscher die britische Mutante nach, bevor das Bundesamt für Gesundheit entsprechende Fälle bestätigen konnte.
Keine genauen Infektionszahlen erkennbar
Dennoch dürfte die Methode keine Wunderwaffe sein. Abwasser-Analysen als Früh- und Entwarnungssystem müssten ergänzend zur Teststrategie eingesetzt werden, schreibt das Forschungsministerium.
Die konkrete Zahl der Infizierten lasse sich bisher nicht aus den Proben ableiten, sagt Swetlana Rot, die am Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt die Proben aus vier Standorten in dem Bundesland untersucht. Ebenso sei die Mutantenbestimmung noch nicht ausgereift: "Wir kriegen im Wasser alles - die ganzen RNA-Schnipsel."