Mit den Affenpocken ist wieder ein Virus aus dem Tierreich zu einer internationalen Gesundheitskrise geworden. Warum werden solche Zoonosen immer öfter zum Problem?
Sars-CoV-2, Zika, MERS oder die Vogelgrippe: In den letzten Jahren haben immer wieder Infektionskrankheiten ihren Weg aus dem Tierreich zum Menschen gefunden. Nun hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch die Affenpocken zu einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite erklärt. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zeigte sich dabei "besorgt" über die Zunahme der Fälle.
Der Anlass wurde genutzt, um zum Kampf gegen Zoonosen in Afrika aufzurufen. Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die etwa von Bakterien, Parasiten oder Viren verursacht und zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können. Die Zahl der entsprechenden Krankheitsfälle auf dem Kontinent sei im vergangenen Jahrzehnt um 63 Prozent gestiegen, erklärte die WHO am Donnerstag an ihrem Standort in Brazzaville.
Auch gelte es zu verhindern, dass afrikanische Länder "Hotspots für aufkommende Infektionserkrankungen" werden.
Viele Infektionskrankheiten können von Tieren auf den Menschen überspringen (und umgekehrt). Eine solche Krankheit nennt man Zoonose. Dabei gibt es unterschiedliche Wege.
Kommt es aktuell zu mehr Zoonosen als früher?
In Deutschland beschäftigt sich das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) federführend mit dem Thema Zoonosen. Seine zentralen Aufgaben sind die Prävention, Diagnose und Bekämpfung von Tierseuchen. "Man ist heute sehr viel aufmerksamer als in der Vergangenheit", was Übersprungereignisse angeht, meint der Präsident des Instituts, Prof. Thomas Mettenleiter.
Diese sogenannten Spillovers, wenn ein Virus von einem Tier auf einen Menschen überspringt, habe es zwar schon immer gegeben, da der Mensch eben "Teil des Tierreichs" sei. Es gibt jedoch einige Faktoren, die Spillovers begünstigen und die sind in der heutigen Zeit sehr ausgeprägt:
- Die Weltbevölkerung wächst immer weiter. Im November könnte die Schwelle von acht Milliarden Menschen auf der Erde überschritten werden. Aus der Sicht eines Virus ist das eine enorm große Wirtspopulation.
- Die Menschen leben auf engerem Raum zusammen und reisen mehr. Dadurch können sich Erreger sehr schnell global ausbreiten wie etwa bei der Corona-Pandemie Anfang 2020. Zum Vergleich: Bei der Pest im Mittelalter hatte es mehrere Jahre gedauert, bis der "schwarze Tod" aus Zentralasien bis nach Europa gelangt ist.
- Der Lebensraum wilder Tiere wird immer kleiner. Durch die Abholzung von Regenwäldern und dem großen Flächenbedarf zur Nahrungsmittelproduktion kommt es immer häufiger zu Kontakt zwischen Wild- und Nutztieren. Letztere sind dann meist ein Zwischenwirt für den Sprung zum Menschen.
Der Anstieg der Fälle von Tierkrankheiten bei Menschen ist laut WHO auf verschiedene Ursachen zurückzuführen.
Zudem komme es im Zuge des Städtewachstums immer häufiger zu Übergriffen in Tierhabitate. Vorangetrieben würden die Infektionen zudem von einer stetig verbesserten Verkehrsanbindung zu Wasser, zu Lande und in der Luft.
Aktuelle Zoonosen, die Wissenschaftler beschäftigen
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Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als zusammenhängendes Ganzes
Das Friedrich-Loeffler-Institut und auch die Weltgesundheitsorganisation verfolgen beim Thema Zoonosen einen sogenannten One-Health-Ansatz. Dieser basiert auf dem Verständnis, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als zusammenhängendes Ganzes gesehen wird und nicht als einzelne Teile. Der One-Health-Ansatz dient der Vorbeugung und fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Humanmedizin, Veterinärmedizin und Umweltwissenschaften.
Was kann man tun, um Zoonosen zu verhindern?
Prinzipiell ist die Verbreitung von Viren aus dem Tierreich ein globales Problem, bei dem sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Trotzdem kann jeder Einzelne dabei helfen, Pandemien oder Epidemien zu verhindern oder auszubremsen.
Die durch Corona erlernten AHA+L-Regeln seien auch bei anderen Infektionskrankheiten wirksam, so Mettenleiter. Auch die Ernährung spiele dabei eine Rolle, da man zum Beispiel durch eine Reduktion des Fleischkonsums einige Faktoren, die Spillovers begünstigen, verkleinert.
FAQ- Kann man auch zu oft geimpft werden?
Angesichts hoher Corona-Zahlen fragen sich auch jüngere Menschen, ob sie eine zweite, an Omikron angepasste Boosterimpfung brauchen. Kann es zu einer "Überimmunisierung" kommen?
von Katja Belousova und Oliver Klein