Es sind nur wenige Fälle und noch ist nicht klar, ob sie mit den Impfungen zu tun haben: Was bisher zu den Sinusvenenthrombosen im Zusammenhang mit Astrazeneca bekannt ist.
Wer das Wort Thrombose hört, denkt vermutlich zuerst an Beine und dann an lange Flugreisen oder Krankenhausaufenthalte. Die Form der Thrombose, die jetzt für den Astrazeneca-Impfstopp verantwortlich gemacht wird, ist aber eine andere, nämlich eine Thrombose der Hirnvenen, Sinusvenenthrombose genannt.
Was ist die Gefahr bei Sinusvenenthrombosen?
Eine Thrombose tritt auf, wenn ein Blutpfropf (Thrombus) ein Blutgefäß vollständig oder teilweise verschließt. Diese Thromben bestehen aus Blutplättchen, Thrombozyten genannt, die sich an der Gefäßwand festsetzen und miteinander verklumpen, bis sie ein Blutgerinnsel und damit zu einem Hindernis für den Blutstrom werden. Wenn diese Thromben sich lösen, können sie eine Lungenembolie auslösen oder Schlaganfälle und Hirninfarkte verursachen.
Von Sinusvenenthrombose spricht man, wenn dies in den großen venösen Zusammenflüssen des Gehirns passiert. Diese Form ist sehr selten, kann aber tödlich enden.
Wieso hat das Paul-Ehrlich-Institut seine Bewertung zu Astrazeneca verändert?
Thrombosen kommen an sich relativ häufig vor. Bisher sprachen alle Daten dafür, dass Impfstoffe wie der von Astrazeneca die Anzahl der Thrombosen nicht über das Niveau heben, die sowieso in der Bevölkerung aufgetreten wären.
In Deutschland und vielen anderen EU Ländern wurden die Impfungen mit Astrazeneca ausgesetzt. Klaus Cichutek, Chef des Paul-Ehrlich-Instituts, begründet die Empfehlung im ZDF.
Die Sinusvenenthrombose tritt sehr viel seltener auf: Drei bis fünf Fälle pro eine Million Einwohner kommen in Deutschland im Jahr vor. Frauen sind dreimal häufiger betroffen. Nun wurden sieben Fälle in zeitlichem Zusammenhang mit den 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca gemeldet. Drei Menschen sind gestorben.
Hinzu komme, so der Arzt Christoph Specht, das zu der Sinusvenenthrombose auch zusätzlich noch die Blättchenanzahl der Thrombozyten verringert sei. Das in Kombination sei noch viel seltener, deswegen schaue man jetzt genauer hin.
Man könne nicht ausschließen, "dass diese Fälle mit der Impfung zusammenhängen" erklärte der Chef des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, im ZDF heute journal. Auch wenn es sich dabei um sehr, sehr seltene Fälle handele, habe das PEI daher vorsorglich zu einem vorläufigen Impfstopp geraten, um Schäden zu vermeiden.
Mit dem Stopp für Astrazeneca könnten viele Menschen nun das Vertrauen in die Impfstrategie verlieren. Ulrich Weigeldt, Vorsitzender vom Deutschen Hausärzteverband, fordert, Anreize zu schaffen fürs Impfen.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sieht derweil "keine Hinweise" darauf, dass Impfungen von Astrazeneca Blutgerinnsel verursachen. Man sei fest davon überzeugt, dass die Vorteile der Astrazeneca-Impfung gegen das Coronavirus größer seien als die Risiken, sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Dienstag. Am Donnerstag soll es eine Empfehlung von Experten der EMA zum Impfstoff geben.
- EMA: Nutzen der Astrazeneca-Impfung überwiegt
Mehrere Länder haben Astrazeneca-Impfungen ausgesetzt - nach Berichten über Blutgerinnsel. Die Vorteile der Impfung überwiege jedoch die Risiken, erklärte EMA-Direktorin Cooke.
Was passiert nun mit dem Impfstoff von Astrazeneca?
Sieben Fälle von Sinusvenenthrombose auf 1,6 Millionen Impfungen entspricht einer Wahrscheinlichkeit von 0,0004 Prozent. Das ist sehr wenig, aber dennoch häufiger als sonst statistisch beobachtet. Das heißt, die Impfung könnte für eine Erhöhung des Risikos dieses Krankheitsbilds verantwortlich sein.
Das müsse aber nicht zwingend heißen, dass Astrazeneca jetzt vom Markt genommen werden muss, so Specht gegenüber ZDFheute. Es sei aber wichtig zu untersuchen, ob bestimmte Risikopatienten besonders betroffen sind oder welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.
Auf was muss ich achten, wenn ich schon geimpft wurde?
Symptome der Sinusvenenthrombose sind anhaltende heftige Kopfschmerzen in Kombination mit kleinen, punktförmigen Blutungen irgendwo am Körper bis zu vier Tage nach der Impfung.
Liegt die Impfung schon länger zurück ist eine Sinusvenenthrombose beinahe ausgeschlossen.
Und was ist mit dem Vergleich zur Anti-Baby-Pille?
Das Internet ist voll von Vergleichen des Thromboserisikos der Impfung und dem der Pille zur Verhütung.
Dieser Vergleich hinke aber, meint Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands im Gespräch mit ZDFheute: Er sei richtig, dass ein Thromboserisiko bei Einnahme der Anti-Baby-Pille vor allem im Zusammenhang mit Rauchen bekannt ist.
Allerdings seien bei diesen Thrombosen nicht die Hirnvenen betroffen, sondern andere Körperteile. Deswegen seien sie auch nicht so gefährlich. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sah den Vergleich zur Pille im Deutschlandfunk skeptisch.