2,2 Millionen Menschen unter 60 Jahren warten in Deutschland gerade auf ihre Zweitimpfung mit Astrazeneca. Wie geht es nach der Impf-Einschränkung jetzt für sie weiter?
Nach Berichten über seltene, aber teils tödliche Sinusvenenthrombosen wird Astrazeneca bei Menschen unter 60 Jahren aktuell nur noch eingeschränkt geimpft. Auch Personen unter 60, die bereits eine Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten haben, sind davon betroffen.
So etwa die Krankenschwester Susanne Hill. Sie erhielt ihre erste Astrazeneca-Impfung am 26. Februar. "Es verunsichert mich und ich finde es frustrierend", sagt sie ZDFheute. Als Mitte März schon einmal Impfungen ausgesetzt wurden, blickte sie zu Freunden nach Großbritannien: "Dort wurde weitergeimpft." Jetzt schon wieder Fragezeichen beim Impfstoff.
Wie lange kann man mit der Zweitimpfung warten?
Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sind aktuell rund 2,2 Millionen Menschen unter 60 Jahren in Deutschland nur einmal mit Astrazeneca geimpft. Nur ein verschwindend geringer Personenkreis hat einen vollständigen Astrazeneca-Impfschutz erhalten.
Der Grund dafür: Zwischen beiden Dosen sollte der zeitliche Abstand laut Ständiger Impfkommission (Stiko) 12 Wochen betragen. Wer die Erstimpfung erhalten hat, muss darum jetzt meist keinen großen Zeitdruck verspüren. Der Impfschutz geht nicht direkt verloren, wenn man einige Wochen warten muss.
So will die Stiko die Zeit bis Ende April auch dafür nutzen, die Datenlage zur Zweitimpfung besser zu klären. Erst dann will man eine weitere Empfehlung gezielt für diese Gruppe aussprechen. Grund zur Sorge ist das bislang nicht.
Welche Optionen haben einfach Geimpfte jetzt?
Der Beschluss der Gesundheitsminister von Dienstag sieht zwei Möglichkeiten vor:
- Nach individueller Beratung und ärztlichem Ermessen können sich Personen unter 60 Jahren auch weiterhin mit Astrazeneca impfen lassen. Das soll in Praxen der niedergelassenen Ärzte stattfinden. Die Schutzimpfungen sollen dort nach Ostern flächendeckend beginnen.
- Bis Ende April will die Stiko eine weitere Impfempfehlung für Jüngere mit vorhandener Erstimpfung formulieren. Darin soll insbesondere auf die Möglichkeit eingegangen werden, eine Zweitimpfung mit einem anderen in der EU zugelassenen Impfstoff als Astrazeneca zu erhalten.
Kann man sich mit einem anderen Impfstoff zweitimpfen lassen?
Bislang ist das nicht möglich. Zur Wirksamkeit und Sicherheit von zwei unterschiedlichen Corona-Impfstoffen bei Erst- und Zweitimpfung liegen noch keine Studienergebnisse vor.
Grundsätzlich ist es bei anderen Krankheiten durchaus gängig, Auffrischungen oder Zweitimpfungen mit einem anderen Impfstoff durchzuführen. Durch die Kombination von Impfstoffen können sogar besondere positive Effekte erzielt werden. Die Wechselwirkungen müssen jedoch in Studien untersucht werden.
Besonders aufmerksam blickt die Stiko derzeit nach Oxford, wo ein Forscherteam Kombinationen von Astrazeneca- und Pfizer/Biontech-Vakzinen studiert. Diese Untersuchung begann Anfang Februar, ist die weltweit erste ihrer Art und ist eigentlich auf 13 Monate angelegt.
Ob dringend benötigte Erkenntnisse jetzt innerhalb weniger Wochen verfügbar sind, ist unklar. Außerdem nehmen an der Oxford-Studie aktuell nur Personen über 50 teil – also eine teils andere Altersgruppe als in Deutschland auf die zweite Dosis wartet.
- Virologin: Brauchen Studie zur Zweitimpfung
Die Virologin Ulrike Protzer fordert im bei ZDFheute live eine schnelle Studie zur Verträglichkeit von mRNA-Zweitimpfungen bei Astrazeneca-Geimpften.
Wie gehen andere Länder mit den Thrombose-Meldungen um?
Kanada ist gerade in einer ähnlichen Lage wie Deutschland. Auch dort wurden am Dienstag Impfungen mit Astrazeneca auf Expertenrat hin mit besonderen Auflagen versehen. Alle Personen unter 55 Jahren sind betroffen, eine Impfung nach ärztlichem Ermessen ist nicht vorgesehen.
Kanada verweist bei der Begründung explizit auf die europäischen Meldungen über Thrombosen. Da Astrazeneca in Kanada bislang erst begrenzt eingesetzt werde, habe man selbst noch keine solchen Beobachtungen machen können, schreibt das zuständige Expertengremium. Auch dort will man jetzt Studienergebnisse zu Zweitimpfungen mit anderen Impfstoffen abwarten.
Lesen Sie hier, wie Astrazeneca in Großbritannien eingesetzt wird und warum das auch Folgen für das Thrombose-Risko haben könnte:
- Warum England anders mit Astrazeneca umgeht
In Großbritannien ist der Umgang mit Astrazeneca weniger restriktiv als in Deutschland. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht mehrere mögliche Gründe dafür.