In Portugal verbreitet sich der Omikron-Subtyp BA.5 rasant. Gesundheitsminister Lauterbach warnt deshalb auch für Deutschland vor einem Corona-Herbst. Wie wahrscheinlich ist das?
Portugal hat die höchste Corona-Inzidenz Europas. Fast 1.700 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner gab es in den vergangenen sieben Tagen. Mit 2,2 Corona-Toten je 100.000 Einwohnern gibt es auch hier einen Spitzenwert. Wie hängt das mit der Verbreitung des Omikron-Subtyps BA.5 zusammen? Dieser macht in Portugal inzwischen mehr als 80 Prozent aller Neuinfektionen aus.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt deshalb auf Twitter:
Sind solche Warnungen für den Herbst berechtigt?
Es sei eine "Fehlannahme, dass die Menschen glauben, das Virus wird immer harmloser", so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor dem Treffen der G7-Gesundheitsminister.
Was ist BA.5 und was unterscheidet diesen Subtyp von anderen Omikron-Varianten?
Auch Virus-Varianten können noch weitere Unterteilungen, sogenannte Subtypen, haben. Sie weisen Unterschiede bei bestimmten Proteinen auf, etwa in ihrem für die Übertragung so wichtigen Spikeprotein. Die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 wurden laut WHO zum ersten Mal im Januar 2022 in Südafrika festgestellt.
Laut dem Berliner Virologen Christian Drosten stammen BA.4 und 5 nicht von BA.1 bis 3 ab, sondern sind Varianten des gemeinsamen Omikron-Vorläufers. "Diese Varianten haben zusätzlich zu Omikron im Spike eine L452R Mutation, die man unter anderem aus Delta kannte und die im Hamster die Virulenz erhöht. Außerdem ist Immunflucht wahrscheinlich", schreibt Drosten auf Twitter. Das könnte Reinfektionen erleichtern.
Wie weit ist BA.5 in Deutschland verbreitet?
Aktuell dominiert in Deutschland die Omikron-Untervariante BA.2 mit einem Anteil von 96,4 Prozent. Die jüngsten Zahlen des RKI beziehen sich aber auf den 9. bis 15. Mai, könnten also bereits etwas überholt sein. BA.5 macht in diesem Zeitraum 2,5 Prozent aus. Damit ist es nach BA.2 die häufigste Untervariante. In der Woche davor waren es 1,2 Prozent, davor 0,6 Prozent. Zum ersten Mal gelistet wurde es für Deutschland Ende März.
Carsten Watzl, Professor für Immunologie an der Universität Dortmund, sagt dazu ZDFheute: "BA.4 und BA.5 nehmen in Deutschland etwas an Anteil zu - jedoch bei insgesamt fallenden Infektionszahlen."
Vor einer möglichen BA.5-Lage im Herbst zu warnen, hält Watzl für angemessen: "Dann könnten wir wieder eine Welle basierend auf diesem Omikron-Subtyp haben. Sie hat gegenüber BA.1 einen offensichtlichen Fitness-Vorteil."
Warum sind die Fall- und Sterbezahlen in Portugal so hoch?
Die Sterbezahlen in Portugal liegen weiterhin deutlich niedriger als zu den schlimmsten Pandemie-Zeiten im Januar und Februar 2021. Auch die Neuinfektionen liegen deutlich unter dem Höchststand vom Januar 2022. Dennoch ist die Entwicklung bemerkenswert.
Dass BA.5 dabei deutlich gefährlicher sein könnte als andere Omikron-Subtypen, kann nicht sicher gesagt werden. "Auch in Portugal muss man die Sterbezahlen im Verhältnis zu der Gesamtzahl an Neuinfektionen sehen", sagt Watzl. "Bei vielen Menschen dort liegt zudem der Booster inzwischen mehr als ein halbes Jahr zurück. Ich gehe daher auch von einer Stiko-Empfehlung für eine vierte Impfung für Menschen 60 plus im Herbst aus."
Wirken die Impfstoffe gegen BA.4 und BA.5?
"Viele, auch Geimpfte, werden erkranken", prognostizierte Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebundes, in der "Rheinischen Post". Wer geimpft sei, erkranke aber deutlich milder.
Experte Watzl erklärt zu den Impfstoffen: "Wir warten noch auf Daten der Impfstoff-Hersteller, wie gut bestimmte Impfstoff-Kombinationen gegen BA.4 wirken." Zwar arbeiteten die Hersteller an angepassten Omikron-Impfstoffen, die seien aber auf BA.1 abgestimmt, so Watzl. "Die Entwicklung ist da immer etwas hinterher. Schwere Erkrankungen sollten aber dennoch auch bei BA.4 verhindert werden."
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Wie muss sich Deutschland auf den Herbst vorbereiten?
Umfassende und die gesamte Bevölkerung betreffende Corona-Maßnahmen wie bei früheren Infektionswellen hält Watzl nicht für zwingend notwendig. "Es kann nicht um eine Verhinderung von Infektionen gehen, sondern um eine Verhinderung von Erkrankungen."
Wenn der Großteil der Bevölkerung durch die Impfung geschützt sei, dann müssten sich die Maßnahmen gezielt an Risikogruppen richten. "Die Bevölkerung muss auch verstehen, dass die Impfstoffe nicht wirkungslos sind, wenn man sich trotz Impfung ansteckt."
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