BGH vor Urteil: Wann können Reisen gratis storniert werden?

    Corona-Reiserechtsfall vor BGH:Stornokosten: EuGH muss entscheiden

    von Moritz Klüpfel
    02.08.2022 | 14:35
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    Muss ein Urlauber Gebühren zahlen, weil er eine Reise stornierte, die wegen der Pandemie sowieso nicht möglich gewesen wäre? Der BGH hat die Frage nun eine Instanz weitergegeben.

    Hessen, Frankfurt/Main: Passagiere warten auf dem Flughafen in Frankfurt am Main auf ihren Check-In.
    Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat unzählige Reisepläne durchkreuzt - darf der Veranstalter trotzdem Stornogebühren berechnen?
    Quelle: Boris Roessler/dpa

    Unter welchen Bedingungen kann eine Reise aufgrund der Corona-Pandemie storniert werden? Diese Frage sollte am heutigen Dienstag der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Geklagt hat ein Mann, der im Januar 2020 über einen Münchner Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Japan für den Zeitraum vom 3. bis 12. April 2020 gebucht hatte.
    Dort spitzte sich die Lage jedoch zu: Das Coronavirus verbreitete sich rasant, Ende Februar wurden daher etwa Vergnügungsparks und Schulen in Japan geschlossen. Der Kläger reagierte auf diese Entwicklung und stornierte schließlich am 1. März 2020 die geplante Japan-Reise, die ihn ursprünglich rund 6.150 Euro kosten sollte.
    Aufgrund der Kurzfristigkeit des Rücktritts verlangte der Reiseveranstalter jedoch vertragsgemäß Stornokosten in Höhe von rund 1.540 Euro, also 25 Prozent des ursprünglichen Reisepreises.

    Kostenfreie Stornierung erst nach Einreiseverbot

    Diese Stornierungskosten zahlte der Kläger zunächst - doch verlangte diese später wieder zurück. Seine Begründung: Da für Japan am 26. März 2020 ohnehin ein Einreiseverbot erging, hätte er die Reise gar nicht antreten können, selbst wenn er gewollt hätte. Das Kuriose: Hätte der Kläger abgewartet und am 27. März 2020 die Reise storniert, wären aufgrund des Einreiseverbots keine Stornogebühren auf ihn zugekommen.
    Ein gesetzliches Recht auf kostenfreie Stornierung besteht nämlich dann, wenn unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Reise erheblich beeinträchtigen. Hierzu kann die Ausbreitung einer Krankheit, aber auch die Einschränkung in den geplanten Aktivitäten im Reiseland führen.

    Vorige Instanzen uneins

    Bislang ging der Fall durch zwei Instanzen, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Während es das Amtsgericht München als ausreichend erachtete, dass am 1. März 2020 weitere Einschränkungen in Japan absehbar gewesen seien, sah das Landgericht München I dies anders und entsprach der Ansicht des Reiseveranstalters: Einen Monat vor Reiseantritt sei es demnach nicht vorhersehbar gewesen, wie sich die Lage in Japan entwickeln würde.
    Damals habe es für Japan weder eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts noch eine Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts gegeben. Der Reiseveranstalter habe demzufolge nach Ansicht der Richterinnen und Richter des Landesgerichtes München zurecht Stornierungskosten berechnet.
    Wenn der Flug ohne "außergewöhnlichen Umstand" annulliert worden ist, gebe es eine pauschale "Ausgleichszahlung von 250, 400 oder 600 Euro", so Roosbeh Karimi, Anwalt für Reiserecht.13.06.2022 | 3:56 min

    Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich?

    Einigkeit herrschte dagegen bei beiden Instanzgerichten in einem anderen Punkt: Sie betrachten als maßgebliches Datum die Situation zum Zeitpunkt der Stornierung. Die tatsächlichen weiteren Entwicklungen nach dem Reiserücktritt des Klägers spielten bei ihren Entscheidungen keine Rolle.
    Darin sieht der BGH aber ein Problem: Es ist nämlich auch denkbar, dass auf den geplanten Reisebeginn als Betrachtungszeitpunkt abgestellt werden muss, also hier der 3. April 2020. Dies hätte zur Folge, dass auch die Geschehnisse nach dem Reiserücktritt zu berücksichtigen wären und der Kläger keine Stornokosten zahlen müsste.

    EuGH muss entscheiden

    Die Frage, welcher Zeitpunkt relevant ist, muss nun allerdings der Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären, da es sich um eine europäische Richtlinie handelt. Dies beschlossen am heutigen Dienstag die Richterinnen und Richter in Karlsruhe und legten das Verfahren dem EuGH vor. Der BGH wartet nun ab, bis der EuGH dies entschieden hat.

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