Corona-Demonstrationen sind für Medienschaffende zunehmend gefährlich geworden. Zwei Schüler berichten unter hohem Risiko über die Proteste in Sachsen.
Beleidigt, geschubst, attackiert: Die Zahl tätlicher Angriffe auf Medienschaffende in Deutschland ist im vergangenen Jahr massiv gestiegen. 119 Übergriffe wurden letztes Jahr gemeldet. Im Vorjahr seien es 72 gewesen. Das teilt das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit aus Leipzig mit (Stand 12.01.2022).
Besonders gefährlich: Corona-Demonstrationen. Das haben auch die beiden jungen Reporter von "vue.critique" ("kritischer Blick") in Sachsen erlebt. Sie zeigen auf ihrem Twitter-Account Videos solcher Übergriffe. Darunter auch ein Video eines Angriffs in Dresden, das inzwischen viral gegangen ist.
"vue.critique": Strukturen der Proteste nachvollziehen
Hinter dem Twitter-Account "vue.critique" stecken zwei Gymnasiasten aus Dresden, die nicht namentlich genannt werden wollen. Die Schüler haben sich schon immer für Politik interessiert, wie sie im ZDF-Interview erzählen. Im Herbst vor zwei Jahren waren sie zum ersten Mal mit ihrer Kamera auf einer Demonstration: zum 6. Pegida-Geburtstag.
Seitdem berichten die 18-Jährigen regelmäßig über Proteste in Sachsen. Ihr Ziel sei es, die Strukturen und Entwicklungen nachzuvollziehen und darüber zu informieren.
"Eine Demonstration ist der Ort für Propaganda und Selbstvergewisserung", so Frank Richter, SPD-Landtagsabgeordneter Sachsen, zu den Corona-Demos.
Attacken durch Demonstrierende
Auch regionale und überregionale Medien interessieren sich inzwischen für ihre Aufnahmen, so die Schüler. Immer wieder berichten sie anderen Journalist*innen über die Lage in Sachsen.
Die jungen Reporter wurden in der Vergangenheit schon mehrfach von Demonstrant*innen attackiert, sagen sie - und das sieht man auch immer wieder auf ihren Twitter-Videos. So auch bei einem montäglichen Corona-Protest in Coswig, im sächsischen Landkreis Meißen.
Die beiden Schüler erzählen, dass sie mittlerweile nicht mehr ohne Begleitschutz auf die Demonstrationen gehen. Sie befürchten, dass sie sich zu zweit nicht vor den Angriffen schützen können.
Psychische Belastung durch Anfeindungen groß
Die Anfeindungen sind vor allem eine psychische Belastung: "Wir versuchen das Ganze nicht so an uns ranzulassen und sehen es eher als Angriff auf die freie Berichterstattung." Die Macher von "vue.critique" sind nicht die Einzigen, die angefeindet werden. Immer mehr Journalist*innen berichten von derartigen Übergriffen.
Die Demo-Reporter sind oft im sächsischen Hinterland unterwegs. Meist sei dort weder Presse noch Polizei vor Ort. Doch die Macher von "vue.critique" wollen an Orte gehen, von denen sonst keiner berichtet.
Bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen kommt es immer häufiger zu gewalttätigen Ausschreitungen, besonders in Sachsen.
Schüler fordern Hilfe für Aussteigerprogramme
So werden sie häufig selbst zum Objekt der Berichterstattung, wie sie erzählen. Auf den Aufnahmen von "vue.critique" sieht man, wie die Schüler von Teilnehmer*innen von Protest-Aktionen angegriffen werden. Sie wehren sich mit Anzeigen bei der Polizei.
"Es ist insgesamt eine zunehmende Gewaltbereitschaft im Rahmen des Protestgeschehens feststellbar" - so lautet eine Einschätzung zu den Protest-Aktionen vom Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen. Dass eine erhöhte Polizeipräsenz allein vor Übergriffen schützt, glauben die Reporter von "vue.critique" nicht. Stattdessen sollten vor allem gesellschaftliche Initiativen gestärkt werden, die bei Aussteigerprogrammen helfen.
- "Atmosphäre ist eine andere geworden"
"Lügenpresse"-Rufe vor der Redaktion, eine angespannte Atmosphäre bei den Demos. Wie eine Lokaljournalistin im sächsischen Freiberg ihre Arbeit zu den Corona-Protesten wahrnimmt.