Mehr Kontakte, mehr Mutanten, aber auch mehr Geimpfte: Eine dritte Corona-Welle kündigt sich an. Impfen wir schnell genug, damit sich eine Situation wie im Winter nicht wiederholt?
Deutschland diskutiert über Lockerungen, gleichzeitig kündigt sich die nächste Corona-Welle bereits an.
Wie sicher kommt die dritte Welle?
Seit mehreren Tagen steigen die Inzidenzwerte in vielen Teilen Deutschlands erneut leicht an. Für den Epidemiologen Hajo Zeeb sind es vor allem die infektiöseren Corona-Varianten wie die britische B.1.1.7, die diese Entwicklung antreiben. "Es ist zu erwarten, dass es bald mehr als 50 Prozent aller Infektionen sind, die durch diese Variante bedingt sind", sagt Zeeb ZDFheute.
Exponentielles Wachstum und eine dritte Infektionswelle könnten darum gerade ihren Anfang nehmen. Und zuletzt von mehr und mehr Bürgern geforderte Lockerungen der Corona-Maßnahmen könnten diesen Trend beschleunigen.
Wird die Pandemie weniger tödlich, weil mehr Menschen geimpft sind?
89 Prozent der Corona-Toten in Deutschland waren über 70 Jahre alt. Überdurchschnittlich viele Todesopfer forderte die Pandemie bislang in Alten- und Pflegeheimen. Von den 1.447 Corona-Toten im Januar in Hessen etwa, starben 73 Prozent in Pflegeheimen, so das hessische Sozialministerium gegenüber der "Bild"-Zeitung.
Diese besonders gefährdeten Personengruppen werden aktuell mit hoher und höchster Priorität geimpft. Fast 800.000 Menschen über 70 Jahren haben laut Bundesgesundheitsministerium bislang ihre Zweitimpfung erhalten. In Deutschland leben aktuell jedoch 13,3 Millionen Menschen über 70 Jahren. Bis zum vollständigen Impfschutz dieser Gruppe ist es also noch ein langer Weg.
Erste Studien aus Israel, eines der Länder mit der höchsten Impfquote weltweit, zeigen, dass Impfungen die Todesrate deutlich senken können. Mit Voranschreiten der Impfkampagne in Israel hat die Zahl der schwer an Covid-19 erkrankten Alten deutlich abgenommen - und es gibt sogar Hinweise, dass Impfungen Infektionen ganz verhindern können.
Bleibt uns noch genug Zeit bis zur dritten Welle?
Wie bedrohlich eine dritte Welle wird und welche Gegenmaßnahmen erforderlich sind, hängt jetzt zentral vom Wettlauf Infektionen gegen Impftempo ab.
Die Zahl der täglich durchgeführten Impfungen hat laut RKI-Impfquotenmonitoring zwar zugenommen auf rund eine Million in den vergangenen sieben Tagen. Forscher der Universität Saarbrücken gehen aktuell trotzdem von Inzidenzwerten erneut um 200 in der ersten Aprilhälfte aus.
Bereits kleine Veränderungen etwa beim R-Wert können jetzt weitreichende Folgen haben. "Der R-Wert ist leicht über eins. Wenn das so bleibt, sind die Intensivstationen erst in drei, vier, fünf Monaten voll. Vielleicht ist also schneller geimpft als die Intensivstationen voll sind", sagt Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen ZDFheute live. Man müsse aber damit rechnen, dass der R-Wert leicht ansteige.
Trifft die dritte Welle dann vor allem Jüngere?
Priesemann ist überzeugt:
Auch Zeeb warnt vor kompletten Lockerungen, selbst wenn die eigentlichen Risikogruppen geschützt wären: "Bei einer kompletten Lockerung hätten wir sehr schnell Inzidenzen im Mehrere-Hundert-Bereich, dann würde auch der kleinere Anteil schwerer Verläufe bei Jüngeren durchschlagen und Todesfälle sowie volle Intensivstationen generieren. Keine gute Idee daher - zu viel unnötiges Leiden."
Auch Long Covid, also Spät- und Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung, ist bei Jüngeren ein Thema. Hier gebe es bislang aber noch zu wenig Daten, so Zeeb - vor allem dazu, wie sich die Mutanten auf Long Covid auswirken. "Es ist aber offensichtlich ein sehr ernstzunehmendes Problem, allein aufgrund der riesigen Zahl Betroffener."
Welche Corona-Maßnahmen können jetzt helfen?
Neben dem schnellen Impfen sei vor allem die gewissenhafte Verwaltung des eigenen "Kontaktbudgets" wichtig, sagt Zeeb ZDFheute. "Auch wenn es jetzt gewisse Lockerungen gibt, geht es in der Summe darum, dass unser "Kontaktbudget" nicht durch die Decke schießt. Denn das wird sich nach allem, was wir wissen, auch ziemlich direkt in steigenden Zahlen spiegeln."
Selbstdisziplin trotz Frühlingswetter und Corona-Müdigkeit ist also wichtig, um die dritte Welle aufzuhalten.