Corona: Wie erlebten die Menschen den ersten Lockdown?
Sechs Betroffene erinnern sich:Lockdown: Schock, Krisen-Modus und Langeweile
von Luisa Houben und Klara Keuthen
|
Es ist fünf Jahre her: Am 16. März 2020 beschließt die Regierung den ersten Corona-Lockdown. Es folgt eine Zeit des Ausnahmezustands. Sechs Betroffene erinnern sich.
Fünf Jahre nach dem Ausbruch von Corona in Deutschland haben viele Menschen noch "Puls", wenn sie an die Zeit zurückdenken, viele beschäftigt die Folgen der Pandemie bis heute.12.03.2025 | 43:39 min
Jeschi Paul, Chorleiterin aus Stuttgart
Für Jeschi Paul fiel plötzlich die Lebensgrundlage weg.
Quelle: Privat
Jeschi Paul hat gerade noch für ein Konzert geprobt, als der Lockdown wegen des Coronavirus verhängt wird. Für sie ein "absoluter Schock". Sie ist Chorleiterin und selbstständig.
Auf einmal fallen alle Einnahmequellen weg. Da war Alarm angesagt.
„
Jeschi Paul
Keine Konzerte, keine Gesangsproben, kein Unterricht: Job und Leidenschaft der Chorleiterin kommen zum Stillstand. Gesangsunterricht versucht sie, online stattfinden zu lassen, aber wirklich sinnvoll für die Stimmarbeit sei das nicht gewesen.
Fünf Jahre nach der Pandemie zeigt sich: Haben sich Lieferdienste für Lebensmittel bewährt? Sind sie wirtschaftlich tragfähig? Die Gewinner und Verlierer.10.03.2025 | 4:14 min
Stattdessen findet ihre Chorgruppe, andere Wege zusammenzuhalten. Vereinzelt treffen sie sich online oder mit Abstand zum Spazierengehen.
Jeschi Paul fühlt sich wie gelähmt, gefangen in einer "Stockstarre". Ihre Freiberuflichkeit aufgegeben hat die heute 61-Jährige aber nicht. Im Gegenteil: Geblieben sei ihr das sichere Bewusstsein, dass ihr Job genau das Richtige für sie sei.
Vor fünf Jahren wurde der erste Corona-Fall in Deutschland bestätigt. Die damaligen Maßnahmen werfen bis heute Fragen auf. Was haben wir aus der Pandemie gelernt?27.01.2025 | 1:33 min
Viola und Nazhbir, Schüler aus Staig
Für die damals zehnjährige Schülerin Viola war der Lockdown anfangs wie Ferien - und doch irgendwie "seltsam".
Quelle: Privat
Für Viola und Nazhbir fühlt sich der erste Lockdown an wie Ferien. Sie gehen damals in die fünfte Klasse der Weihungstalschule im Alb-Donau-Kreis.
Beide genießen es, viel Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Komisch ist es trotzdem. "Die erste Zeit hatten wir ja nichts zu tun", erinnert sich Nazhbir. Er und Viola müssen zwar jeden Tag Hausaufgaben machen. Aber sie vermissen ihre Freund*innen. Viola kann immerhin zum Reiten. Nazhbirs Fußballtraining aber fällt aus.
Ich bin abends lange wachgeblieben, war nur zu Hause, habe mich gelangweilt.
„
Nazhbir, heute 17 Jahre alt
Schüler Nazhbir berichtet von Langeweile während des Lockdowns.
Quelle: Privat
Es dauert eine Weile, bis der Unterricht online stattfindet. Und der läuft je nach Fach mal besser, mal schlechter. "Die Lehrer konnten halt nicht ihr ganzes Potenzial ausschöpfen", meint Nazhbir ganz diplomatisch. Nicht alle Lehrkräfte schaffen es in Videokonferenzen, Stoff und Aufgaben so verständlich wie sonst im Klassenraum zu vermitteln.
Die Schüler*innen müssen sich also selbst disziplinieren und zum Lernen motivieren. Manche in ihrer Klasse hätten das nicht geschafft, seien wie in ein Loch gefallen, erzählen die beiden Zehntklässler rückblickend.
Welche Auswirkungen Corona auf Kinder und Jugendliche hatte.10.03.2025 | 5:33 min
Die Fahrt ins Schullandheim fiel aus, da hätten wir uns alle erst besser kennengelernt.
„
Viola, heute 15 Jahre alt
Mittlerweile haben die beiden ihre Klassenfahrt nachgeholt. Und Online-Tools gehören fest zum Alltag der Weihungstalschule. Geblieben aber ist auch der Druck, den verpassten Lernstoff aufzuholen.
Im Sommer wollen Viola und Nazhbir ihren Realschulabschluss machen.
Kurz nach Ende der Corona-Pandemie versprach die Politik, die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit mehr Psychotherapieplätzen zu verbessern. Was hat sich bis heute getan? 11.03.2025 | 17:25 min
Daniel Singh, Unternehmer aus Weilheim an der Teck
Für Unternehmer Daniel Singh war der Lockdown eine große Herausforderung.
Quelle: Privat
"Wir mussten unser komplettes Geschäftsmodell an den Nagel hängen", erinnert sich Daniel Singh. Er ist Mitte 20 und hat ein paar Jahre zuvor eine Brauerei gegründet, als der erste Lockdown beginnt. Die größte Herausforderung für ihn: neue Vertriebswege finden.
Seine wichtigsten Einnahmequellen sind damals Restaurants und Festivals, die aber sind zu oder fallen aus. Und er hat Zeitdruck: Wegen der geringen Haltbarkeit muss das Bier schnell verkauft werden.
Also liefert Singh sein "Singhbräu" schon in der zweiten Woche des ersten Lockdowns Kund*innen bis vor die Haustür. Und er bietet Online-Tastings an. "Das war für die kleine, junge Brauerei wichtig, um den Kontakt zu Stammkunden zu halten", erzählt der heute 29-Jährige.
Dabei nutzt er mehr als vorher Social Media. Ein Vertriebsweg, der geblieben ist.
Mittlerweile haben wir gelernt, mit Corona zu leben. Doch es sind viele Spuren geblieben. Sarah Tacke, Leiterin ZDF-Ressort Recht & Justiz, möchte in der ZDF-Langzeit-Serie "Am Puls" mit den Menschen in Deutschland darüber ins Gespräch kommen.25.11.2024 | 7:04 min
Anja Stapelberg, Pflegekraft aus Stuttgart
Anja Stapelfeld erlebte das Leid der Corona-Patienten aus erster Hand.
Quelle: Klinikum Stuttgart
An ihren ersten Corona-Patienten kann sich Anja Stapelberg noch gut erinnern. Ein Mann, der wegen einer anderen Krankheit bei ihr auf der chirurgischen Intensivstation im Klinikum Stuttgart liegt, infiziert sich. Er muss deswegen verlegt werden.
"Das werde ich nicht vergessen, wie wir ihn eingepackt haben, die Kollegen in Vollmontur kamen und ihm die Tränen runterliefen", sagt Stapelberg. Sie weiß damals, er hat kaum eine Chance zu überleben.
Es ist der Beginn eines Dauer-Krisen-Modus: mehr Personal, immer in Schutzkleidung, hohe psychische und physische Belastung. Viele ihrer Patient*innen sterben allein. Sie kennt den Tod. Mit Corona aber kommt er schneller als sonst.
Diese Hilflosigkeit, das Gefühl, dass man gar nichts machen kann.
„
Anja Stapelberg, Stationsleiterin der chirurgischen Intensivstation im Klinikum Stuttgart
Rückblickend ist sie stolz auf das, was sie als Team auf ihrer Station und im Klinikum geleistet haben. Sie spürt mehr Wertschätzung und Verständnis für die Arbeit von Pflegekräften.
Was ihr fehlt: der Wille, auf politsicher Ebene zu schauen, welche Fehler gemacht worden sind. "Nicht um anzuklagen, sondern damit sie beim nächsten Mal nicht wieder passieren."
Fünf Jahre ist der erste Corona-Lockdown mittlerweile her. Waren alle Entscheidungen damals richtig? Die Aufarbeitung der Pandemie ist noch längst nicht abgeschlossen.28.12.2024 | 11:33 min
Benedikt Mayr, Long-Covid-Betroffener aus Ulm
Benedikt Mayr leidet unter Long Covid. Trotz Reha spürt er Langzeitfolgen der Corona-Infektion.
Quelle: Privat
"Dass es so ausarten würde, hätte ich nicht gedacht," erinnert sich Benedikt Mayr. Der Elektrotechniker aus Ulm wechselt wie viele Arbeitnehmer*innen mit Beginn des Lockdowns ins Homeoffice, fühlt sich isoliert, macht weniger Sport als sonst. Krank wird er nicht. Das Ziel, sich vor einer Infektion zu schützen, geht also auf - vorerst.
Drei Jahre später hat er Grippe und Burn-Out-Symptome. Auf Corona wird zu dem Zeitpunkt nicht getestet. Ein halbes Jahr später dann die Diagnose: Long Covid. Dass er in der Pandemie so krank werden würde, hätte er nicht erwartet, erzählt der heute 43-Jährige.
Dina Voss leidet an schwerwiegenden Folgen der Corona-Impfung.11.03.2025 | 5:29 min
Mayr macht eine Reha. Es geht ihm dadurch besser. Geblieben aber ist das Gefühl von dauerhafter Erschöpfung und Unsicherheit. "Ich habe die Unbeschwertheit verloren", sagt er.
Die heile Welt, in der wir in Deutschland bis dahin gelebt haben, ist durch Corona kaputt gegangen, weil man seine Gesundheit nicht mehr selbst in der Hand hatte.
„
Benedikt Mayr, Long-Covid-Betroffener
Luisa Houben und Klara Keuthen sind Reporterinnen des ZDF-Landesstudio für Baden-Württemberg.
Fünf Jahre nach der bisher verheerendsten Pandemie des 21. Jahrhunderts geht ein ZDF-Themenschwerpunkt der Frage nach, was aus der Corona-Pandemie für Lehren gezogen wurden und werden. In der Zeit vom 8. bis zum 21. März 2025 beschäftigen sich sowohl aktuelle Magazinsendungen als auch Doku-Formate mit dem Thema.
Wir bündeln alle Inhalte auf unserer Themenseite zum Coronavirus.