Scholz und Lauterbach lehnen den Begriff "Freedom Day" ab, weil er der Situation nicht gerecht werde. Es gibt noch weitere Gründe, warum der Ausdruck kritisch gesehen wird.
Gemeint ist damit die Abschaffung vieler Corona-Maßnahmen - in gewisser Weise also eine Rückkehr zur Normalität. In Deutschland könnte das der 20. März sein. Doch von einem "Freedom Day" wollen sowohl der Bundeskanzler als auch der Bundesgesundheitsminister (beide SPD) in diesem Zusammenhang nicht sprechen.
Scholz und Lauterbach lehnen Begriff ab
"Ich benutze diesen Begriff überhaupt nicht und finde auch nicht, dass er angemessen ist", sagte etwa Gesundheitsminister Karl Lauterbach diese Woche in der ARD-Sendung "maischberger". Er verweist in dem Zusammenhang auf vulnerable Personengruppen, die das Coronavirus weiterhin gefährdet - etwa ältere Menschen.
Es könne nicht so getan werden, als ob es für jeden komplett Normalität gäbe, so der Minister.
Ähnlich sieht es Bundeskanzler Olaf Scholz. Den Begriff "Freedom Day" will er sich nicht zu eigen machen: Solche Schlagworte seien "dem Ernst der Lage nicht angemessen", sagte Scholz nach der Bund-Länder-Runde am Mittwoch.
"Freedom Day" nach Ende der Apartheid
Auch wegen seiner völlig anderen Herkunft und Bedeutung wird der Begriff im Zusammenhang mit Corona als problematisch gesehen.
"In der Geschichte Schwarzer Menschen gibt es mehrere historische Tage, die als Freedom Day bezeichnet werden bzw. so bezeichnet werden könnten", sagt Tahir Della von der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland".
- So gedenken etwa die USA mit dem "National Freedom Day" der offiziellen Abschaffung der Sklaverei durch Präsident Abraham Lincoln am 1. Februar 1865.
- In Südafrika ist der "Freedom Day" ein nationaler Feiertag, der die ersten freien Wahlen am 27. April 1994 nach der Apartheid feiert.
- Der Kulturkampf geht weiter
Der im Februar stattfindende "Black History Month" steht in der Kritik. Dabei gibt er in den USA vielen Hoffnung.
Vorwurf, Begriff verhamlose rassistische Unterdrückung
Della befürchtet, dass eine Verwendung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die historische Bedeutung des "Freedom Day" verwässert.
Der Demokratieforscher Wolfgang Merkel sieht das ähnlich. Man könne und solle darüber streiten, ob die staatlichen Maßnahmen in unserer Demokratie während der Corona-Pandemie immer verhältnismäßig waren, sagt er. "Aber da bewegen wir uns in ganz anderen Sphären".
Deshalb passe der Begriff nicht auf die historische Situation, so Merkel. Denn wenn bei uns nun Grundrechtseinschränkungen wieder aufgehoben werden, geschieht das innerhalb einer demokratischen freiheitlichen Ordnung. Das sei "etwas substanziell anderes."
"Freedom Day" als Begriff für Freiheitsverzicht
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Tino Sorge, findet dagegen, dass die historische Dimension des Begriffes nicht mit der Corona-Debatte der Gegenwart vermischt werden solle. "Dort führt uns der Begriff vor Augen, dass wir in zwei Pandemie-Jahren auf viele Freiheiten verzichten mussten."
In der FDP, die sich als "Partei der Freiheit" bezeichnet, möchte man sich in der Debatte auf die Sache konzentrieren. "Uns kommt es nicht auf Begrifflichkeiten an, sondern auf das notwendige Auslaufen der Corona-Maßnahmen", teilt die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, auf Anfrage mit.
Corona-Maßnahmen als demokratische Entscheidung
Politik-Experte Wolfgang Merkel findet den Begriff "Freedom Day" allerdings nicht allein wegen der historischen Herkunft unpassend, sondern auch, weil er der Situation in Deutschland nicht gerecht werde. Zugespitzt sagt er:
Tahir Della wünscht sich in Deutschland mehr Bewusstsein und Wissen über die Geschichte Schwarzer Menschen, damit solche "problematischen Vergleiche" nicht unreflektiert gezogen werden.
Mit Material von dpa