Gesundheitsminister von Bund und Ländern planen die Isolationspflicht für Infizierte und Kontaktpersonen aufzuheben. Was sind die möglichen Folgen?
Isolation und Kontaktvermeidung wird Menschen mit Corona-Infektion ab dem 1. Mai nur noch dringend empfohlen. Brechen dann die letzten Dämme gegen eine ungehinderte Verbreitung des Coronavirus? Oder vollzieht die Politik nur gelebte Praxis nach und stellt pragmatisch Weichen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist geplant?
Infizierten und Kontaktpersonen wird zum 1. Mai 2022 künftig nur noch dringend empfohlen, sich für fünf Tage zu isolieren und weitere Kontakte zu meiden. So sieht es eine Verständigung von Bund und Ländern vom gestrigen Montag vor, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verkündet hat. Virologe Jonas Schmidt-Chanasit von der Uni Hamburg sieht darin vor allem ein "pragmatisches Vorgehen":
Eine Anordnung des Gesundheitsamts ist dafür nicht mehr geplant. Kontaktpersonen von Infizierten wird dringend empfohlen, selbstständig Kontakte zu reduzieren. Infizierte sollen sich nach fünf Tagen selbst testen und Kontakte reduziert halten, bis der Test negativ ist. Kontaktpersonen werden tägliche Selbsttests geraten.
Was ist für Beschäftigte in Gesundheitswesen und Pflege geplant?
Für sie soll es ein angeordnetes Tätigkeitsverbot im Infektionsfall geben. Frühestens am fünften Tag nach Symptombeginn soll dies durch einen abgenommenen Schnell- oder PCR-Test enden können.
- Das sollte man beim Testen auf Corona wissen
Ab Samstag soll die neue Testverordnung gelten. Was das genau heißt und wie man im Fall einer Corona-Infektion jetzt vorgehen sollte: ein Überblick.
Wie ist es bisher?
Bisher dauern die Absonderungen in der Regel zehn Tage und können mit einem negativen Test nach sieben Tagen vorab beendet werden.
Was ist die Hauptkritik an den Plänen?
Der Sozialverband VdK warf Bund und Ländern vor, "komplett auf das 'Prinzip Durchseuchung'" zu setzen. "Der Schutz der Risikogruppen spielt für die Politik offenbar überhaupt keine Rolle mehr", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Ähnlich äußerte sich die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Virologe Schmidt-Chanasit hingegen verteidigte im ZDF-Interview die Entscheidung der Politik. Es gehe vor allem darum, die kritische Infrastruktur am Laufen zu halten, sagte er.
Wie begründet der Gesundheitsminister die Quarantäne-Lockerungen?
Sie sollten befreit werden von Arbeit, die derzeit ohnehin nicht mehr gut klappe. Heute würden die Gesundheitsämter die Isolierungs- oder Quarantänefälle oft zu spät benachrichtigen, erläuterte Lauterbach.
Die Gesundheitsämter haben eine wichtige Rolle in der Corona-Pandemie. Wie werden sie informiert?
"Mit großer Verspätung kommen die Nachrichten und sie haben kaum mehr Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen." Nichts zu tun habe die geplante Änderung mit der Frage von Lockerungen und Freiheiten.
Was sollen die neuen Regeln also bringen?
Die Gesundheitsämter sollen sich laut Lauterbach auf die zentralen Bereiche konzentrieren können, wo besonders verletzliche Gruppen betroffen sind. Es gehe um Vorbeugung, Isolation und Quarantäne für diejenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten - also Beschäftigte in Kliniken und Pflegeeinrichtungen.
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Warum sind die Gesundheitsämter überlastet?
Hintergrund ist die aktuelle Omikron-Welle mit vielen, aber meist eher leichter verlaufenden Infektionen. Die Inzidenz sank am Dienstag weiter leicht, liegt aber immer noch im Durchschnitt bei 1.394 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Gemeldet wurden 180.397 Corona-Neuinfektionen und weitere 316 Corona-Todesfälle.
Auch in den Unternehmen haben die Belastungen durch Personalausfälle einer aktuellen Umfrage der staatlichen Förderbank KfW zufolge stark zugenommen - wegen Erkrankungen und Isolierung bzw. Quarantäne innerhalb der Belegschaft sowie durch die Abwesenheit von Beschäftigten aufgrund von Schul- und Kitaschließungen.
Welche Auswirkungen ergeben sich für die Krankschreibung?
In Sachen Krankschreibung verändere sich nichts, sagte Lauterbach. Das habe schon bisher nichts mit der Anordnung von Quarantäne oder Isolation zu tun, sondern einfach mit der Diagnose. Und diese könne auf der Grundlage klinischer Symptome, eines Antigentests oder eines PCR-Tests gestellt werden.
Was sagen die hauptsächlich betroffenen Ärztinnen und Ärzte?
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes machte einen eigenen Vorschlag, um die Infektionsausbreitung in kritischen Bereichen zu kontrollieren und die Gesundheitsämter von der Übermittlung irrelevanter Testergebnisse zu entlasten.
Getestet werden solle - so der Verband - nur noch anlassbezogen, also bei Personal in Gesundheits-, Pflege- und Gemeinschaftseinrichtungen und bei Personen mit Symptomen einer Covid-Erkrankung.
Bei positivem Nachweis solle eine Isolation von fünf oder sieben Tagen erfolgen. Wer 48 Stunden symptomfrei sei, solle bei negativem Schnelltest die Isolation beenden, so der Vorschlag des Berufsverbands.
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von Robert Meyer