Immer mehr Menschen in Deutschland werden derzeit geimpft. Es gibt Lockerungen für Geimpfte und Genesene. Aber wie lange schützt sie ihre Immunabwehr vor Infektion oder Erkrankung?
Trotz der Lockerungen für Geimpfte und Genesene sollte man nicht vergessen: Eine Impfung gegen das Coronavirus schützt nicht zu 100 Prozent. Und bislang weiß man nicht, wie lange der Immun-Effekt nach Impfung oder durchgemachter Infektion anhält. Klar ist, dass der Schutz mit der Zeit nachlässt. Was lässt sich bisher sagen?
Forschung orientiert sich an ehemals Infizierten
"Die besten Daten, die wir haben, kommen von ehemals Infizierten", sagt der Immunologe Carsten Watzl. Für Studien wurden Betroffene von der ersten Phase der Pandemie an begleitet.
Wissenschaftler interessieren sich etwa dafür, wie sich Antikörperspiegel entwickeln. Die zentrale Frage: Wie lange bleiben die Abwehrstoffe, die der Körper gegen Sars-CoV-2 gebildet hat, erhalten?
Verschiedene Arten von Antikörpern
Experten unterscheiden mehrere Arten von Antikörpern, die zumindest wichtige Hinweise zur Immunität liefern. Zwei Beispiele: Die sogenannten IgA-Antikörper kann man sich als schnelle Eingreiftruppe vorstellen, die etwa im Nasenschleim und in der Lunge vorhanden ist und eingeatmete Viren unschädlich macht.
Sogenannte IgG-Antikörper hingegen werden erst nach einer gewissen Zeit im Blut gebildet, gelten als Teil des Immun-Gedächtnisses und haben Einfluss auf die Schwere der Erkrankung. Sollte man sich erneut mit dem gleichen Erreger infizieren, sorgen sie für eine rasche Reaktion.
Was den Selbstschutz anbelangt - also das Vermeiden von schwerer Krankheit und Tod - rechnen Fachleute mit verlässlicher Abwehr auch noch nach einiger Zeit: Bisherige Daten von Genesenen zeigten relativ stabile Werte der IgG-Antikörper im Blut, sagte Watzl.
Immunabwehr durch T-Zellen
Es bilden aber nicht alle Infizierten Antikörper. Diese sind auch nicht allein entscheidend: Die körpereigene Abwehr hat auch noch einen zweiten Arm, sogenannte T-Zellen: Diese zerstören körpereigene Zellen, die vom Virus infiziert wurden.
Eine US-Studie, die noch nicht von anderen Fachleuten begutachtet wurde, macht aber auch hier Hoffnung auf eine breite, recht lang anhaltende Abwehr.
Hoffnung auf höheren Schutzeffekt durch Impfung
Durch Impfungen rechnet Watzl mit einem noch besseren, möglicherweise mehrjährigen Schutzeffekt vor schweren Verläufen bis hin zum Tod: Damit würden höhere Antikörperspiegel erreicht als bei der natürlichen Infektion.
Die Nachbeobachtung des US-Herstellers Moderna etwa zeigt bisher, dass Antikörper mindestens sechs Monate nach der zweiten Dosis bestehen bleiben. Man kann aber nicht pauschalisieren: Watzl zufolge bewirken verschiedene Impfstoffarten auch unterschiedliche Immunantworten.
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Schleimhautschutz nimmt offenbar schneller ab
Weniger langanhaltende Effekte werden für den sogenannten Fremdschutz erwartet: Mit der Zeit scheinen Genese wieder mehr zur Verbreitung des Virus beizutragen. Hier sind die IgA-Antikörper auf den Schleimhäuten von Interesse:
Schwindender Schleimhautschutz könnte ihm zufolge auch beim schlimmen Wiederaufflammen der Pandemie in Indien eine Rolle gespielt haben. Insbesondere nach milden Verläufen gehe dieser Schutz "nach zwei, drei Monaten" verloren, so Drosten. Nach schweren Verläufen halte er länger, "sicherlich einige Monate". Auch mehrere durchgemachte Infektionen verlängerten den IgA-Schutz.
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von Lukas WilhelmNachimpfungen zum Schutz vor Infektionen
Um die Dauer des Schutzes, aber auch die Breite zu verbessern, arbeiten Hersteller an Auffrischungsimpfstoffen. Drosten zufolge könnten diese zum Winter hin zum Einsatz kommen. RKI-Chef Wieler sagte am Freitag, man werde anhand von Studien sehen, wann eine Auffrischung angezeigt sei.
Besser abgedeckt werden sollen mit Boostern auch neue Virusvarianten, die der Immunantwort entgehen können. Aktuell sind diese in Deutschland noch selten. Doch mit zunehmendem Anteil von Geimpften und Genesenen in der Bevölkerung könnten sie ihre Vorteile gegenüber anderen Varianten ausspielen.
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