Fast die gesamte Bevölkerung in Gibraltar ist geimpft. Dennoch liegt die Inzidenz bei rund 900. Wie passt das zusammen? Ein Argument gegen die Impfung sind die Zahlen nicht.
Das kleine Gibraltar gehört zu den Gebieten Europas, die aktuell eine der höchsten Corona-Inzidenzen aufweisen. Mit 296 Neuinfektionen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei derzeit bei knapp 900, vor wenigen Tagen lag sie noch bei deutlich über 1.000.
Weil Gibraltar jedoch auch eine der weltweit höchsten Impfquoten aufweist, gilt es jenen, die an der Wirksamkeit der Impfung zweifeln, als Beleg. Es gibt mehrere Gründe, warum diese Argumentation Lücken hat.
Niemand liegt mit Covid-19 auf der Intensivstation
Die Lage in Gibraltar ist kaum vergleichbar mit der in Staaten wie Deutschland. Das britische Überseegebiet an der südlichen Spitze der iberischen Halbinsel hat rund 33.700 Einwohner. Bereits wenige Infektionscluster, etwa in einem Betrieb oder in einer Schule, können dafür sorgen, dass die Inzidenz rasant nach oben schnellt - dann aber auch wieder rapide abnimmt.
Zwar reagierte die Regierung besorgt auf den jüngsten Anstieg, verwies aber auch auf die entspannte Lage in den Kliniken. Derzeit befinden sich nur zwei Corona-Positive im Krankenhaus, niemand davon auf einer Intensivstation.
Lediglich mehrere öffentliche Veranstaltungen während der Weihnachtszeit wurden in der vergangenen Woche abgesagt oder in der Größe eingeschränkt.
Echte Impfquote liegt unter 100 Prozent
Rechnet man die Zahl der in Gibraltar bislang gegebenen Erstimpfungen auf die Bevölkerungsgröße um, kommt man auf eine theoretische Impfquote auf 121,4 Prozent.
Wie in Großbritannien begannen die Impfungen in Gibraltar deutlich früher als in der Europäischen Union. Am 10. März waren bereits fast 86 Prozent der Bevölkerung mindestens einfach geimpft. Darum ließen sich etwa 15.000 Spanier mit Arbeitsplatz in Gibraltar dort impfen.
Auch werden bislang keine Kinder unter zwölf Jahren geimpft. Eine Impfpflicht gibt es in Gibraltar nicht. Die realistische Impfquote der Bevölkerung liegt eher bei 90 Prozent. Ab dem Frühjahr konnte Gibraltar auf viele Schutzmaßnahmen verzichten, die Impfung wirkte zuverlässig.
Weil die Impfungen früh begannen, sind jetzt Booster nötig
Entsprechend vorangeschritten ist nun auch das Absinken des Impfschutzes gegen eine Infektion. Es ist das gleiche Phänomen, das inzwischen auch in Deutschland beobachtet wird.
Nach einigen Monaten schützen die Impfstoffe vor allem noch gegen schwere Krankheitsverläufe, teils aber nicht mehr gegen eine Infektion. Entsprechend laufen auch in Gibraltar aktuell Auffrischungsimpfungen. Beinahe 16.000 Booster wurden bereits verabreicht.
Gegen schwere Krankheitsverläufe schützt jedoch auch eine Impfung, die länger zurückliegt. Das beweisen die wenigen Corona-Fälle, die in Gibraltar im Krankenhaus behandelt werden müssen.
Inzidenz unter Ungeimpften deutlich höher
Auch in Gibraltar beobachtet man, dass sich Ungeimpfte deutlich häufiger infizieren. Von den 296 Neuinfektionen der letzten sieben Tage waren 141 ungeimpft. Bedenkt man, dass rund 90 Prozent der Einwohner geimpft sind, ist die Inzidenz unter den Ungeimpften um ein Vielfaches höher. Genau wie in Deutschland und überall sonst. Viele der ungeimpft Infizierten sind Kinder und Jugendliche.
Wegen des vielen Grenzverkehrs zwischen Gibraltar und Spanien wird zudem mehr getestet als anderswo - Infektionen fallen zuverlässiger auf.
- Warum Ungeimpfte ansteckender sind
Auch Geimpfte können sich mit dem Coronavirus anstecken und es übertragen. Im Vergleich zu Ungeimpften ist das Risiko allerdings deutlich geringer. Diese Story erklärt warum.