Die Corona-Maßnahmen fallen, das Gesundheitssystem droht nicht zu überlasten: Was die Impfkampagne gebracht hat - und wieso sie stockt.
Hohe Inzidenzen und neue Corona-Beschränkungen im Herbst? Angesichts der Impfquote in Deutschland ist das für viele Expert*innen realistisch. Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wäre eine allgemeine Impfpflicht der Ausweg aus diesem Szenario: "Beenden wir die Pandemie in diesem Jahr", appellierte er in dieser Woche im Bundestag.
Bereits die bisherigen Impfungen haben die Pandemie grundlegend verändert. Mehr als 63 Millionen Menschen in Deutschland haben sich mindestens einmal impfen lassen. Das ist mit einer der Gründe, warum in diesem Herbst und Winter rund halb so viele Menschen gestorben sind wie im Vorjahr. Trotzdem sind es jeden Tag noch rund 200 Tote.
Impftempo hat stark nachgelassen
Aber: Die Impfkampagne stagniert. Aktuell lassen sich durchschnittlich rund 5.000 Menschen pro Tag zum ersten Mal impfen. Seit Anfang Februar waren es insgesamt nur etwas mehr als eine halbe Million. Die Impfquote ist seitdem nur um 0,7 Punkte gestiegen. Zwei bis drei Millionen Menschen über 60 haben sich bisher gar nicht impfen lassen.
Und auch die Booster-Kampagne hinkt. Rund 240.000 Booster werden derzeit pro Woche verabreicht. Zum Vergleich: Zum Höhepunkt der Booster-Kampagne im Dezember waren es in einer Woche mal 6,5 Millionen.
Nur noch wenige wollen sich impfen lassen
Allzu viele Impfwillige gibt es sowieso nicht mehr. Nur noch vier Prozent der Ungeimpften wollen sich impfen lassen, so die neueste Cosmo-Befragung der Uni Erfurt. 13 Prozent der Befragten zögern, die restlichen 83 Prozent verweigern sich.
Dafür gebe es laut Befragung zwei Gründe: Einerseits haben viele Bedenken wegen der Sicherheit der Impfstoffe.
Andererseits liegt es an Omikron selbst. Die Variante schafft es, mehr Menschen zu infizieren - trotz vorheriger Erkrankung oder Impfung. Die Folge: Die Impfung wird nicht als notwendig betrachtet, weil man Corona für wenig gefährlich hält. Trotzdem ist Omikron keine "milde" Variante. Gerade für Ungeimpfte bleibt das Risiko groß.
Hausärzte-Chef: Es braucht positivere Impf-Ansprache
Dazu kommen laut Bundesgesundheitsministerium Falschinformationen, Sprachbarrieren und schlechtere Bildung und Finanzen. Dagegen sollte die Ende Januar vorgestellte Impfkampagne "#ImpfenHilft" eines von mehreren Mitteln sein. Geholfen hat es der Impfquote aber kaum.
Die derzeit geringen Impfzahlen würden zeigen, "dass es eine andere, vor allem positivere Ansprache braucht, um die Menschen zu erreichen, die sich bisher noch nicht zu einer Impfung durchringen konnten", so Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. "Die aktuelle Kommunikationskampagne mit den bekannten Slogans erreicht sie jedenfalls nicht. Andere Länder sind hier deutlich kreativer."
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Novavax nur wenig nachgefragt
Und auch Novavax hat bisher nicht die erhoffte Wende gebracht. Seit Ende Februar steht der Proteinimpfstoff zur Verfügung. Novavax galt als Alternative für Menschen, die sich nicht mit der mRNA-Impftechnologie, wie sie Biontech und Moderna nutzen, impfen lassen wollen.
Insgesamt liegen 1,4 Millionen Dosen Novavax bereit. Doch verimpft wurden bisher nur etwas mehr als 60.000 - nicht mal fünf Prozent der gelieferten Menge.
Die Nachfrage nach Novavax sei gering, so Ulrich Weigeldt, der Vorsitzende des Bundeshausärzteverbands. "In den nächsten Tagen und Wochen werden sicherlich noch einige Impfungen hinzukommen, insgesamt erreichen die Praxen jedoch nur sehr vereinzelt Terminwünsche."
Hospitalisierung bei Geimpften deutlich seltener
Gerade während der Delta-Welle hat die Impfung zahlreiche Todesfälle verhindert. Bei den besonders Gefährdeten Über-60-Jährigen lag die Zahl der Krankenhausaufnahmen im November und Dezember bis zu sechsmal so hoch wie bei den doppelt Geimpften. Gegenüber den Geboosterten war sie sogar bis zu 13 mal so hoch.
Und auch während der Omikron-Welle ist sie immer noch deutlich geringer - auch wenn die Welle insgesamt niedriger war. Zudem verhindert eine Impfung in vielen Fällen nicht nur einen schweren Verlauf, sondern schützt auch gut gegen Long Covid.