Europäischer und Deutscher Ethikrat üben Kritik an der Impfpflicht-Debatte und fordern sicheren Schulbetrieb. Auch Lehrer und Ärzte mahnen große Corona-Vorsicht in Schulen an.
Die Vorsitzenden des Europäischen und Deutschen Ethikrats, Christiane Woopen und Alena Buyx, äußern sich kritisch zur Impfpflicht-Debatte und sorgen sich um den Stand der Pandemie-Bekämpfung auch in Schulen. Lehrerverband und Ärztekammer fordern ebenfalls erhöhte Schutzmaßnahmen im neuen Schuljahr.
Europas Ethikrat-Vorsitzende Christiane Woopen findet die deutsche Diskussion um eine Corona-Impfpflicht "ganz unangemessen", sagte sie der "Rheinischen Post".
Woopen: "Impfpflicht nur im alleräußersten Notfall"
"Eine Herdenimmunität ist ohnehin nicht erreichbar, weil auch doppelt Geimpfte das Virus weitergeben, erkranken und sterben können, wenn auch mit erheblich niedrigerem Risiko", so Woopen.
Und weiter: "Eine Impfpflicht wäre nur im alleräußersten Notfall gerechtfertigt, wenn die gesundheitliche Situation völlig aus dem Ruder läuft. Und dann auch nur für bestimmte Berufsgruppen."
- Corona-Impfpflicht rechtlich möglich?
Die Zahl der Corona-Impfungen geht zurück. Mediziner haben jetzt eine neue Debatte über eine Impfpflicht zumindest für bestimmte Berufsgruppen angestoßen. Wie ist die Rechtslage?
Lockerungen in England sind "unverantwortlich"
Woopen prangerte zugleich die Lockerungen in England an. "Was in England passiert, ist völlig unverantwortlich." Es könnten sich neue Mutanten bilden, und in vielen Teilen der Erde seien bisher kaum Menschen geimpft. Woopen glaubt:
Im größten britischen Landesteil England wurden am Montag fast alle Corona-Maßnahmen aufgehoben. Die Regierung setzt dort auf den Schutz der Impfungen und auf Eigenverantwortung.
Buyx: Sicherer Schulbetrieb nötig
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, mahnt zu einem weiteren Ernstnehmen der Corona-Pandemie. "Ich habe die Sorge, dass Ermüdung und Überdruss inzwischen groß sind", sagte sie im Interview der "Rheinischen Post".
Vonseiten der Politik brauche es eine "klare und wertschätzende Kommunikation, die auf die Zielgruppen abgestimmt ist", sagte Buyx. Zudem hoffe sie, dass derzeit alle Vorbereitungen für einen sicheren Schulbetrieb getroffen würden: "Es war dazu ja nun über ein Jahr Zeit."
Ethikrat: Kinder vor Schulschließungen schützen
Um sicheren Schulbetrieb zu ermöglichen, brauche es gar nicht so viel: regelmäßige PCR-Massentests, die Corona-Warnapp oder ähnliche Lösungen vor Ort, Hygieneregeln und Luftreinigungsanlagen.
Die Professorin für Medizinethik fügte hinzu: "Es muss alles Erdenkliche getan werden, um die Kinder vor weiteren Belastungen aus der Schließung von Schulen zu schützen. Steigende Infektionszahlen dürfen nicht mehr automatisch dazu führen, dass die Schulen schließen."
Lehrerverband: Erhöhte Schutzmaßnahmen
Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, mahnt zu Beginn des neuen Schuljahres große Corona-Vorsicht an. Er sagte der Funke Mediengruppe:
In den ersten ein bis zwei Monaten des neuen Schuljahrs solle etwa "eine vollständige Maskenpflicht auch während des Unterrichts für alle Altersstufen gelten". Zudem sollten die regelmäßigen Schnelltests fortgeführt werden, und zwar "am besten dreimal pro Woche".
Ärztekammer: Tägliche Tests
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte in den Funke-Zeitungen: Ziel müsse es sein, "tägliche Testungen vor Unterrichtbeginn zu ermöglichen". Reinhardt schlägt dafür die Nutzung von sogenannten Lolly-Tests vor. Diese sollten flächendeckend für alle Schüler zur Verfügung gestellt werden.
- Wo es eine Impfpflicht gibt
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