In die Impfstart-Euphorie mischt sich Kritik: So hat etwa Köln zunächst nur 180 Dosen bekommen. Politiker warnen: Zu geringe Mengen könnten den Erfolg gefährden.
Jedes Bundesland hat für den Impfstart an diesem Sonntag knapp 10.000 Impfdosen erhalten, Bremen knapp 5.000. Insgesamt stehen damit zunächst gut 150.000 Dosen zur Verfügung. Zu wenig, findet SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er fordert eine Erhöhung der Produktionskapazitäten des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer.
Impfstoff für fünf Millionen bis Ende März
Insgesamt laufe die Impfkampagne im Land zwar gut an, das alleine reiche aber nicht aus, sagte Lauterbach gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Das Problem ist, dass wir mit dem vorhandenen Impfstoff nur fünf Millionen Menschen bis Ende März impfen können."
Nach Einschätzung von Experten ist eine Impfquote von 60 bis 70 Prozent nötig, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Mit Blick auf mögliche weitere Mutationen des Coronavirus spiele deshalb auch Schnelligkeit bei der Impfung der Bevölkerung in Deutschland eine Rolle, erklärte Lauterbach weiter:
Auch Virologin Melanie Brinkmann schreibt dem Faktor Zeit bei der Impfstrategie für Deutschland eine große Bedeutung zu. Im ZDF heute journal betont sie die Gefahr von Mutationen während einer laufenden Impfkampagne:
Eine solche Entwicklung sei nicht auszuschließen, erklärt Brinkmann weiter. Deshalb sei es wichtig, das Virus "weiter gut in Schach zu halten" und zu verhindern, dass die Infektionszahlen unkontrolliert in die Höhe schießen.
Der mRNA-Impfstoff ist "einer sichersten, die man haben kann", sagt die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung zum Impfstart in Deutschland. Es sei absolut erfreulich, "wie gut dieser Impfstoff auch wirkt".
Impfkampagne als Wettlauf gegen das Virus
Bei der zuletzt in Großbritannien nachgewiesenen Mutation des Coronavirus sehen Experten derzeit zwar keine Gefahr für die Wirksamkeit des bisher verfügbaren Impfstoffs. Aber mit jeder neuen Mutation könne sich das ändern, warnte Lauterbach.
Lauterbach forderte deshalb eine Prüfung der Produktionskapazitäten für den Impfstoff durch die Bundesregierung. Diese müssten kurzfristig aufgebaut oder erhöht werden, sagte der SPD-Politiker.
Bundesweit haben die Impfungen gegen das Coronavirus begonnen. Mit der größten Impfkampagne in der Geschichte der Bundesrepublik verbinden sich große Hoffnungen.
Ausschöpfen von Produktionskapazitäten: Lindner hält Lizenz-Modell für möglich
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte vor negativen Folgen durch Lieferengpässe und bedauerte die begrenzte Menge bislang verfügbarer Impfdosen. Dabei lenkte er den Fokus auch auf mögliche Auswirkungen auf die Impfbereitschaft der Deutschen:
FDP-Chef Christian Lindner dringt in einer Talkshow der "Bild" ebenfalls auf eine schnellere Produktion des Corona-Impfstoffs. Dafür schlägt Lindner ein Lizenzkonzept vor: Das Präparat von Biontech/Pfizer könne demnach zusätzlich von anderen Herstellern in Lizenz produziert werden. Insgesamt sei es wichtig, dass die Regierung in Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie prüfe, wo es für die Impfstoffproduktion weitere Kapazitäten gebe, so Lindner.
Nur 180 Impfdosen für Köln
Was die begrenzte Verfügbarkeit bedeutet, zeigt das Beispiel Köln: Nordrhein-Westfalen hatte zum Impfstart nach Angaben des Gesundheitsministeriums 9.750 Dosen erhalten. Aber nur 180 entfielen davon auf Köln. Man habe mit "mehr Impfstoff gerechnet", äußerte das Ministerium gegenüber dem "Focus". Somit ist der Impfstart dort eher ein Zeichen dafür, dass es endlich losgeht.
Bis Jahresende sollen insgesamt 1,3 Millionen Impfdosen in Deutschland ausgeliefert werden. Ende März sollen es über zehn Millionen sein. Da zwei Spritzen pro Person nötig sind, reicht das für rund fünf Millionen.
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