Wie können Covid-Impfstoffe schneller und günstiger produziert werden? Sollte Biontech sein von Patenten geschütztes Knowhow an Staat, Gesellschaft und Konkurrenten weitergeben?
Deutschland hat seine Impfkampagne gestartet, doch es gibt noch viele offene Fragen: Werden genug Impfdosen bereit stehen, um den gesetzten Zeitplan einzuhalten? Wie schneller und breiter geimpft werden kann, darum dreht sich die politische Diskussion.
Es ist selten, dass aus FDP und Linkspartei ähnlich lautende politische Forderungen kommen. Liberalen-Chef Christian Lindner sagte in einem "Bild"-Onlinestream am Sonntag, es brauche eine gesteigerte "Krisenproduktion" von Impfstoffen, um die Pandemie schnell in den Griff zu bekommen. Dafür regte er an, Biontech und Pfizer könnten Produktionslizenzen an andere Hersteller weitergeben. Die Bundesregierung solle prüfen, wo es noch freie Kapazitäten gebe.
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Achim Kessler, forderte Lizenzregelungen – diesmal jedoch unter Zwang.
Gesetz erlaubt Ministerium, Patentschutz auszusetzen
Das Bevölkerungsschutzgesetz erlaubt dem Bundesgesundheitsministerium Schritte bis hin zur Enteignung von Unternehmen, um die Versorgung mit Medikamenten und anderen Produkten in der Pandemie sicherzustellen - das umfasst auch das Knowhow, wie man den Impfstoff herstellt.
Ein Pharmaunternehmen wie Biontech müsste zwar laut Gesetz "angemessen entschädigt" werden, könnte so aber gezwungen werden, sein Wissen mit Konkurrenz und Öffentlichkeit zu teilen. Sie könnten dann theoretisch mehr und günstiger Impfstoffe gegen das Coronavirus produzieren.
-
Wie viele wurden bisher gegen Corona geimpft?
Wie erfolgreich ist die Impfkampagne in deutschen Bundesländern und anderen Staaten, wo gerät sie ins Stocken? Aktuelle Zahlen zeigen, wie viele Menschen bereits geimpft wurden.
Medico International: Kein Patentschutz für Covid-Impfstoff
Unterstützt wird dieser Vorschlag von der Organisation Medico International, die seit Jahrzehnten unternehmerische Interessen im Gesundheitswesen kritisiert. Medico-Gesundheitsreferentin Anne Jung fordert gegenüber ZDFheute:
Dieser Schritt hätte schon vor Monaten geschehen sollen, so Jung. "Als die Exklusivverträge zwischen Regierungen und Pharmaunternehmen geschlossen wurden und als öffentliche Mittel in die Entwicklung dieser Impfstoffe geflossen sind. Wir sind spät dran und freiwillig werden die Unternehmen diesen Schritt sicher nicht gehen."
Umfangreiche Finanzhilfen für Impfstoff-Entwickler
Dass die forschenden Unternehmen ein berechtigtes Interesse daran hätten, für ihr Risiko und ihre Investitionen belohnt zu werden, überzeugt Jung nicht. Das sei ein "beliebter Mythos" der Pharmabranche und verweist auf umfangreiche Finanzhilfen.
Das Bundesgesundheitsministerium etwa stellte drei Impfstoff-Herstellern im September etwa 750 Millionen Euro zur Verfügung. Von der EU kam weiteres Geld. "Die Verträge über diese Förderzusagen sind nicht öffentlich, obwohl es unser Geld ist", kritisiert Jung.
Branchenverband: Zwangslizenzen kaum umsetzbar
Vertreter der Pharmaindustrie kritisieren diese Vorschläge als nicht umsetzbar. "Impfstoffherstellung gehört zum Anspruchsvollsten in der Arzneimittelproduktion", sagt Rolf Hömke, Forschungssprecher des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) ZDFheute.
Originalhersteller würden schon jetzt nach geeigneten Kooperationspartnern Ausschau halten. "Sie wollen ja selbst, dass von ihrem Impfstoff so schnell wie möglich Milliardenmengen produziert werden", so Hömke. Dieser Prozess werde sich in den nächsten Monaten fortsetzen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versichert: "Wir tun alles dafür, schnell zusätzlichen Impfstoff zu produzieren". Die Produktion sei "hoch anspruchsvoll" und brauche Vorlauf.
Gesundheitsminister Spahn gegen Lizenz-Vorstoß
Es sei eine enorme Leistung, dass nach weniger als einem Jahr Impfstoffe großtechnisch produziert werden könnten, betont vfa-Vertreter Hömke. "Die Unternehmen haben seit Anfang 2020 diese Anstrengungen unternommen in der Erwartung, dass sie dabei auch Rechte an ihren Erfindungen behalten."
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warnt im ZDF vor falschen Hoffnungen. "Es wird so getan, als könne man die Produktion mal eben innerhalb von drei, vier Wochen beliebig hochfahren." Der Aufbau dieser Kapazitäten brauche Vorlauf. 2021 soll in Marburg ein zusätzlicher Biontech-Produktionsstandort die Arbeit aufnehmen.