Ich habe schon seit Jahren keinen festen Hausarzt mehr - so dürfte es vielen jungen Menschen gehen, die öfter umgezogen sind. Habe ich jetzt einen Nachteil beim Impfen?
Seit Freitag kann ich sagen: Her mit der Impfung, ich gehöre zur Prio-Gruppe drei in Rheinland-Pfalz! Um an eines der Vakzine zu kommen, führt ein Weg über das Impfzentrum, ein anderer über den Hausarzt. Viele fahren zweigleisig und registrieren sich bei beiden, das möchte ich auch. Doch nach diversen Umzügen in diverse Städte habe ich keinen festen Hausarzt mehr. Ist das jetzt ein Nachteil?
Zwar könnte mir das Impfzentrum auch zügig eine Einladung schicken, doch die Erfahrungen meiner geimpften Angehörigen sind andere. Die wurden von ihren Hausärzten geimpft, lange bevor ein Termin vom Impfzentrum eintrudelte, den sie dann absagen konnten.
- Bis Ende Juli könnten alle geimpft sein
Zwei Forscher vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung haben errechnet: Eine vollständige Corona-Impfung aller impfwilligen Erwachsenen ist bis Ende Juli machbar.
Vorstellungstermin für die Impfung
Wie komme ich an einen Hausarzt? Das ist mitunter gar nicht so leicht. Zwar gibt es bundesweit tendenziell mehr kassenärztliche Hausärzte als noch vor einigen Jahren, aber immer mehr von ihnen arbeiten in Teilzeit oder sind angestellt, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung ermittelt hat. Mehr Ärzte bedeutet also nicht automatisch eine bessere Versorgung. Und auch das bekannte Problem des Ärztemangels auf dem Land spielt eine Rolle - dort ist die Arztdichte oft viel geringer.
Nach sieben Anrufen habe ich einen Vorstellungstermin bei einem Arzt - der will mich kurz sehen, bevor er mich auf seine Liste schreibt. Das Argument, dass Hausärzte ihre Patienten am besten kennen und einschätzen können, gilt für uns beide schon mal nicht. Doch Hauptsache, ich stehe auf seiner Liste.
Andere Praxen sagten mir, dass sie keine Patientinnen mehr aufnehmen oder es derzeit keinen Sinn habe, vorbeizukommen, weil so viele Ältere und höher priorisierte Menschen vor mir warten.
Mit meiner Telefonaktion habe ich auch einen Fehler gemacht, wie mir eine Sprecherin des Hausärzteverbandes erklärt:
Wie viele Menschen in Deutschland aktuell keinen Hausarzt haben, wird nicht zentral erhoben. Es ist auch eine schwammige Kategorie - wie lange muss mich jemand kennen, bis er oder sie mein Hausarzt ist? Reicht es, mir ein Mal eine Krankschreibung abgeholt zu haben und damit in einer Kartei zu stehen?
Der Wohnort spielt keine Rolle
Was mir aber auch klar wird: Ich bin gar nicht auf das Bundesland beschränkt, in dem ich wohne und gemeldet bin. In Deutschland darf man die Ärzte frei wählen - ganz anders als in Großbritannien, dort bekommt man einen Arzt zugewiesen. Weil der Bund die Corona-Impfung bezahlt, kann ich meine Anfragen auch an Praxen in Hessen richten, wo meine Prio-Gruppe ebenfalls dran ist.
Mir fällt mein langjähriger Hausarzt ein, bei dem ich als Jugendliche war und der mich kennt. Doch in seiner Praxis hören sie zum ersten Mal von so einer länderübergreifenden Idee. "Wir impfen bei uns auch erst einmal die 70- und 80-Jährigen", sagt Praxismanagerin Andrea Harlfinger. "Wir würden ja gern jeden impfen, aber haben nicht genügend Impfstoff."
Was heißt es überhaupt, auf einer Liste zu stehen?
Hausärzte wie auch Impfzentren impfen weiter nach Priorisierung, wobei die laut Gesundheitsminister Spahn ab Juni aufgehoben werden könnte. Das Gefühl, mich irgendwie vorzudrängeln, hatte mich bei meiner Recherche mehrfach beschlichen. Doch ich komme ohnehin erst dran, wenn die Berechtigten der Gruppen vor mir geimpft sind.
Wer keinen Hausarzt hat und auch keinen findet, für den könnten Fachärzte bald eine Lösung sein. Denn wenn auch Gynäkologinnen, HNO-Spezialisten oder Hautärzte breit verimpfen, haben Patientinnen wie ich viel mehr Anlaufstellen.
Doch das Grundproblem bleibt auch hier: Geimpft werden kann nur, wenn auch Impfstoff da ist. Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sagte heute gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Seit Wochen fordern wir: Gebt den Impfstoff endlich den Hausarztpraxen - und zwar nicht bloß in homöopathischen Dosen." Am Ende steht bei mir die Erkenntnis: Warten muss ich ohnehin.
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