Voll geimpft und trotzdem kein voller Impfschutz: Die Stiko rechnet damit, dass bei einigen Menschen Corona-Impfungen weniger wirken. Auch die Charité hat neue Erkenntnisse.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) geht davon aus, dass manche Menschen trotz vollständiger Impfung gegen das Coronavirus keinen wirksamen Immunschutz aufbauen. Studien hätten gezeigt, dass Corona-Impfungen bei Menschen, deren Immunsystem medikamentös gebremst wird, weniger gut wirken, sagte der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Im Moment könne man noch nicht abschätzen, wie groß die Gruppe der Patienten sei, die trotz vollständiger Impfung keinen oder einen zu geringen Immunschutz aufgebaut hätten.
Mögliche Betroffene: Menschen nach einer Organtransplantation oder Krebspatienten
Betroffen sind demnach etwa Menschen nach einer Organtransplantation oder zum Teil auch Krebspatienten. Auch bei Rheumapatienten sei die Immunantwort je nach Art der Immunsuppression zumindest reduziert.
"Abhängig vom Ausmaß der Immunsuppression und den verwendeten Medikamenten ist die Immunantwort sogar trotz vollständiger Impfung deutlich schlechter oder fällt ganz aus", sagte Mertens. Weitere Studien würden derzeit noch durchgeführt.
Dabei geht es laut Stiko-Chef vor allem auch um die Frage, wann diese Menschen erneut geimpft werden sollten. In jedem Fall sollte das Ansteckungsrisiko in ihrem Umfeld durch Impfungen so weit wie möglich verringert werden. "Man nennt das Kokonstrategie", sagte Mertens.
Studien: Alte reagieren schwächer auf Impfstoff
Forscher der Berliner Charité haben unterdessen eine Erklärung dafür gefunden, warum es trotz zweifacher Impfungen immer noch Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gibt. Das Immunsystem von alten Menschen reagiere weniger effizient auf die Impfung als das von jüngeren, teilte die Charité nach zwei im Fachblatt "Emerging Infectious Diseases" veröffentlichten Studien mit. Deshalb sei es besonders wichtig, dass Pflegepersonal und Besucher immunisiert seien.
- Für eine Untersuchung arbeiteten die Wissenschaftler einen Ausbruch in einer Berliner Pflegeeinrichtung vom Februar auf. Dabei hatten sich - neben 11 Pflegekräften ohne vollständigen Impfschutz - rund 20 Bewohner mit der Variante Alpha (B 1.1.7) angesteckt. Bis auf vier von ihnen waren alle vollständig mit Biontech/Pfizer geimpft. Die vier Ungeimpften erkrankten so schwer, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden mussten. Nur rund ein Drittel hatte Krankheitszeichen wie Husten oder Atemnot. Zwei geimpfte Bewohner starben laut Charité, aber vermutlich nicht ursächlich an Covid-19.
- In der zweiten Untersuchung verglich das Forschungsteam die Immunreaktion auf den Biontech/Pfizer-Impfstoff bei über 70-jährigen Patienten einer Hausarztpraxis mit der von Charité-Beschäftigten, die im Schnitt 34 Jahre alt waren. Blutanalysen zeigten, dass schon drei Wochen nach der ersten Dosis etwa 87 Prozent der Jüngeren Antikörper gegen Sars-CoV-2 gebildet hatten. Unter den Älteren waren es nur rund 31 Prozent. Einen Monat nach der zweiten Dosis hatten fast alle jungen Geimpften (99 Prozent) spezifische Antikörper im Blut. Unter den älteren Menschen waren es rund 91 Prozent. Zusätzlich reiften die Antikörper bei den Älteren langsamer, sie konnten das Virus also schlechter binden. Auch der zweite wichtige Arm der Immunreaktion, die T-Zell-Antwort, fiel schwächer aus.