Corona-Infektionen nehmen überall in Deutschland rasant zu - vermehrt trifft es trotz Impfung auch Alten- und Pflegeheime. Sind die Einrichtungen auf den Corona-Winter vorbereitet?
Die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland steigt massiv an. Davon betroffen sind zunehmend auch Alten- und Pflegeheime. In seinem jüngsten Wochenbericht schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI):
In der 42. Meldewoche, die bis zum 24. Oktober ging, seien Ausbrüche in 122 Alten- und Pflegeheimen verzeichnet worden. In der Vorwoche waren es noch 78. In diesen Einrichtungen gab es 1.365 Corona-Fälle in besagter Woche.
Stiftung Patientenschutz: Verbindliche Tests für Pflegepersonal
Diese Zunahme besorgt Experten wie Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. "Die aktuelle Situation in der Altenpflege ist alarmierend", sagte Brysch der Nachrichtenagentur dpa am Montag. Die Immunisierung vieler Hochbetagter nehme ab, zugleich kämen Impfangebote und das Testen nicht voran.
Brysch forderte ein Schutzkonzept für die 900.000 Pflegeheimbewohner und verbindliche Zusagen für eine Million Pflegebedürftige daheim, die auf ambulante Dienste angewiesen sind. Ohne verbindliche tägliche Tests, die von den Anbietern organisiert werden müssten, schlitterten die Menschen in der Altenpflege in ein Desaster.
Hier müssten gezielt Impfungen und Tests eingesetzt werden, so Brysch. Jedes Bundesland hat aktuell eigene Regeln zu Testpflichten. Teils gelten sie nur für ungeimpftes Pflegepersonal, teils wurden sie auch von Gerichten wieder gekippt.
Das Seniorenzentrum Am Tempelberg in Bad Doberan kämpft mit den Folgen eines größeren Corona-Ausbruchs. Mittlerweile sind dort 98 Corona-Fälle registriert. Wie das Virus in die Einrichtung kam, ist unklar.
Verband fordert bessere Datenlage zu Infektionen
Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert, dass aktuell nicht genügend Informationen vorlägen, um das Ausmaß der Bedrohung effektiv einschätzen zu können.
"Die Einrichtungen selbst sind gut aufgestellt, Schutz- und Hygienemaßnahmen wurden im Kern ja nie abgestellt. Um jedoch tatsächlich eine zielgerichtete Diskussion führen zu können, bräuchte es auch verlässliche Zahlen zu Impfdurchbrüchen und Art der Erkrankungsverläufe", sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, ZDFheute.
Schwere Krankheitsverläufe sind seltener, aber möglich
Anders als in früheren Wellen ist die reine Zahl an gemeldeten Neuinfektionen weniger aussagekräftig. Das liegt am Impfschutz, der schwere Krankheitsverläufe meist verhindert. Gleichzeitig sind in Alten- und Pflegeheimen deutlich mehr Menschen mit hohem Risiko betroffen.
"Da von den hochbetagten Menschen in den Pflegeheimen sehr viele Vorerkrankungen haben, kommt es in seltenen Fällen auch zu schwereren Infektionen und sogar Todesfällen, obwohl die Einrichtungen und Dienste effektive Hygienekonzepte haben und Personal und Besuchende kontinuierlich testen", teilt der Deutsche Caritasverband ZDFheute mit.
Sind ungeimpfte Pflegekräfte für die Infektionen verantwortlich?
Was ist der Grund für die Infektionen in Alten- und Pflegeheimen? Sind es eher Besucher von außerhalb, ungeimpfte Pflegekräfte, oder der mit der Zeit automatisch abnehmende Impfschutz? Eindeutig kann das aktuell nicht gesagt werden.
Das liegt auch daran, dass kein Gesamtbild zur Zahl der geimpften Pflegekräfte existiert. Wie viele tatsächlich geimpft sind, kann oft nur direkt beim jeweiligen Betreiber erfragt werden. "Wir gehen von über 70 Prozent aus. Das ist gemessen mit anderen Impfungen kein schlechter Wert", so der Paritätische Gesamtverband zu ZDFheute.
Auf Hygienemängel könne man die zunehmenden Infektionen laut dem Verband eher nicht zurückführen: "Die Einrichtungen waren vermutlich noch nie besser in der Umsetzung dieser Maßnahmen, wie unter Corona-Bedingungen. Aber es ist eine Illusion, absolute Keimfreiheit herzustellen."
Im Vergleich zu den Ausbrüchen in Kliniken sieht das Robert-Koch-Institut bei den Pflegeeinrichtungen aber Raum für Verbesserung: "Dies scheint nach bisherigen Erkenntnissen am ehesten auf besseres Hygienemanagement durch bessere personelle Ausstattung zurückzuführen sein", schreibt das RKI ZDFheute.
Corona-Lage verschärft Personalknappheit
Beim Personal verschärft die Infektionswelle schon jetzt die Lage der Alten- und Pflegeheime. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, beklagt einen Pflegenotstand:
Aktuell sind es vor allem die Booster-Impfungen, auf die die Pflegeanbieter bauen. "Die Einrichtungen tun alles, um diese zu organisieren", sagt der Paritätische. Wie schnell das gelinge, liege vor allem an den Ländern.
"In einigen Ländern scheint man bereits durch zu sein, in anderen läuft es zäh. Auch müssen sich Einrichtungen damit rumärgern, dass Pflegekräfte nach Landesvorgaben nicht einbezogen werden sollen. Das ist nicht akzeptabel", so der Verband. Die Lage bleibe ein Flickenteppich.
- RKI rät: Kontakte vermeiden und impfen lassen
Das Robert-Koch-Institut warnt vor einem wachsenden Risiko von Corona-Ansteckungen und rät zur Schutzimpfung. Auch Auffrischungsimpfungen seien sinnvoll.