Die Corona-Infektionszahlen fallen leicht, wenn auch auf hohem Niveau. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist seit Tagen rückläufig. Warum das noch keine Trendwende ist - ein Überblick.
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Am fünften Tag in Folge entwickelt sich die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland rückläufig. Das Robert- Koch-Institut (RKI) gab die Zahl am Samstagmorgen mit 148,6 an. Noch am Montag waren 169,3 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche verzeichnet worden. So niedrig wie am Samstag lag die Sieben-Tage-Inzidenz seit Mitte April nicht mehr.
Infektionsgeschehen weiter hoch
Die Corona-Neuinfektionen steigen also nicht mehr so rasant an wie noch zu Beginn des letzten Monats - deutet sich da ein positiver Trend beim Infektionsgeschehen an? Keineswegs, meinen mehrere Wissenschaftler und Experten. Die Tageswerte bei den Neuinfektionen seien weiterhin hoch, ebenso die Zahlen der an Covid-19-Verstorbenen. Aber die aktuellen Maßnahmen und der Impffortschritt scheinen erste Erfolge zu zeigen.
RKI-Chef Lothar Wieler hatte bereits am Freitag beim allwöchentlichen Corona-Briefing zwar eine dezent positive Prognose gewagt und davon gesprochen, dass die dritte Welle "abgebremst" worden sei. Von einer endgültigen Trendwende könne jedoch nicht die Rede sein. Wohl aber von Erleichterung, dass das exponentielle Wachstum von vor Ostern sich nicht in dem Maße, wie befürchtet, fortgesetzt habe.
RKI-Chef: Impflücken schließen
Die Pandemie sei jedoch noch längst nicht vorbei und man müsse jetzt, Ungeimpfte "auf den letzten Metern" kurz vor der Impfung schützen. Er warnte zudem, dass auch bei den Älteren noch sehr große Impflücken klafften. Wieler forderte:
Laut RKI bleibt es außerdem bei großen Unterschieden zwischen den Bundesländern: Während Sachsen und Thüringen auf Sieben-Tage-Inzidenzen von über 200 kommen, liegt Hamburg bei knapp unter 100, Schleswig-Holstein sogar bei nur 64.
Lauterbach: Warnung vor zu frühen Lockerungen
Ähnliche Töne schlägt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach an, der auf Twitter eindringlich vor zu frühen Lockerungen und Öffnungen warnte.
Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin sagte bei einer Anhörung im "Parlamentarischen Begleitgremium Covid-19-Pandemie" des Bundestags, er rechne "nicht mehr mit einer Zunahme, aber auch nicht mit einer schnellen Abnahme" der aktuellen Infektionszahlen.
Optimistischer zeigte sich die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Inzidenzen von deutlich unter 50 wie im vergangenen Sommer seien wahrscheinlich in den nächsten Wochen zu erreichen, sagte sie. Grund dafür sei vor allem der Impffortschritt.
Intensivstationen immer noch stark belastet
Die Auslastung auf den Intensivstationen ist in dieser dritten Welle nach wie vor hoch. Laut RKI seien in den jüngeren Altersgruppen (35 bis 59 Jahre) mindestens genauso viele Patienten in der dritten Welle ins Krankenhaus gekommen wie in der zweiten. Dort verbleiben sie meist auch länger als früher, insbesondere bei einer Versorgung durch Intensivmedizin.
Dort liegen nach dem Register von Intensivmedizinern und RKI aktuell immer noch rund 5.000 Menschen. Auch Intensivmediziner bemerken, dass ihre Patienten im Vergleich mit den ersten Wellen "immer jünger" werden.
Divi: Impfteams in soziale Brennpunkte schicken
Zudem liegen laut Divi (Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) auf den Intensivstationen zunehmend Menschen aus ärmeren Milieus und mit Migrationshintergrund. Um diese Menschen besser vor einer Infektion zu schützen und die Kliniken zu entlasten, plädieren Intensivmediziner dafür, mobile Impfteams in soziale Brennpunkte zu schicken.