In der Welthauptstadt des Karnevals haben mit zwei Monaten Verspätung die vier tollen Tage begonnen. Der Auftakt ist auch ein Blick in die brasilianische Seele.
Für Anderson dos Santos Souza (31) ist es der Tag, der den Sieg über die Pandemie markiert:
Am Mittwoch, dem Auftakt der vier tollen Tage im Sambodromo in Rio de Janeiro, gehörte er zu den ersten, die über den frisch grau gestrichenen Asphalt der Arena marschiert: "Wir haben so sehr für die größte Show der Welt, den Karneval in Rio de Janeiro, gekämpft", sagte Santos Souza erleichtert ZDFheute unmittelbar bevor es losging.
Karneval auch im Zeichen der Opfer der Pandemie
Charles da Silva Santos von der Sambaschule "Unidos da Ponte" ist mit den Gedanken bei denen, die nicht mehr dabei sein können:
Fast täglich meldeten während der Pandemie die Sambaschulen in den sozialen Netzwerken Todesfälle aus den eigenen Reihen. Insgesamt starben in Brasilien während der Covid-Pandemie fast 700.000 Menschen.
Tatsächlich ist der nachgeholte Karneval so etwas wie ein Befreiungsschlag für die Millionen-Metropole. Das Thema Pandemie spielt bei den ersten Auftritten der Sambaschulen eine große Rolle. "Es lebe die Wissenschaft" hat "König Momo" ein eigenes Schild mitgebracht. Auf der Rückseite feiert er das Gesundheitssystem SUS.
Ein Seitenhieb auf den rechtspopulistischen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der während der Pandemie mit seinem Verharmlosungskurs nach Meinung seiner Kritiker eine Mitschuld an den verheerenden Ausmaßen trägt.
Rios tolle Tage werden zunehmend politisch
Bolsonaro, der Karneval nicht mag, ist in der Arena, wenig überraschend, unbeliebt. Tatsächlich sind einmal Sprechchöre für Lula da Silva zu hören. Der Ex-Präsident (im Amt von 2003 bis 2011) wird im Wahlkampf in diesem Jahr der Gegenspieler Bolsonaros - und hat gute Chancen, für einen Machtwechsel zu sorgen. Einige haben sogar Fahnen seiner Partei mitgebracht.
Der Karneval in Brasilien wird ohnehin jedes Jahr politischer: Zum Auftakt nahmen die Sambaschulen die Probleme des Nahverkehrs, der indigenen Völker, der Armut und der Umweltzerstörung ins Visier. "Stolz der Straßenverkäufer" heißt das Kostüm, das Andreia Martins (34) für die Sambaschule "Em Cima da Hora" trägt. Im Gespräch mit ZDFheute sagt sie:
Respekt ist eine der Stärken des brasilianischen Karnevals. Und im tiefreligiösen Brasilien spielen natürlich auch Gott und Jesus beim Karneval eine Rolle. "Unidos da Ponte" setzte der 2019 heiliggesprochenen Ordensschwester "Irma Dulce" mit ihrem Auftritt ein Denkmal. Ihren Einsatz für die Armen spielt die Sambaschule demonstrativ nach. Auch das ist eine Botschaft in einem Land, in dem die evangelikale und die katholische Kirche einen Machtkampf austragen.
Sambaschulen kämpfen auch um Meisterschaft
Traditionell beginnen in Rio de Janeiro die Sambaschulen der zweiten Liga mit ihren Auftritten. Im Fokus stehen am Freitag und Samstag allerdings die großen traditionellen Schulen aus der ersten Liga. Karneval in Rio ist auch ein Wettbewerb mit Auf- und Abstieg und einer Meisterschaft.
Die Schule die den besten Gesamtauftritt hinlegt, gewinnt den Titel. Deswegen wird das Sambodromo bei der ersten Liga auch ausverkauft sein. Am Eröffnungstag musste sich der Karneval noch mit ungewollter Konkurrenz auseinandersetzen. Der Fußball-Klassiker zwischen Flamengo und Palmeiras lockte 50.000 Zuschauer ins Maracana-Stadion.